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Südkorea Teil 1 - Von Katzen, Konsum und Cafékultur

Wir stehen am Hafen von Qingdao (eine ehemals deutsch besetzte Hafen-Stadt, was auch heute noch an der europäischen Architektur weniger Gebäude und natürlich dem weltbekannten Tsingtao Bier zu erkennen ist, welches 1903 von deutschen Siedlern in der Region etabliert wurde), das Wasser ist durch den Smog der Stadt kaum zu erkennen und das Gefühl, welches ich normalerweise mit dem Meer verknüpfe, will sich einfach nicht so richtig einstellen. Wir haben gerade mitgeteilt bekommen, dass die Fähre erst gegen 21 Uhr ablegen wird - 4 Stunden Verspätung zur ursprünglichen Abfahrtszeit. Also vertreiben wir uns die Zeit am Terminal mit lesen und Tobi organisiert etwas zum Essen - leckere vegetarische „Steamed Buns“ (vergleichbar mit den deutschen Dampfnudeln - nur meist mit würziger Füllung), eine Tüte frische Mandarinen vom Straßenhändler und eine Packung Erdnüsse. Gegen 15 Uhr beginnt bereits das Boarding und wir sind gespannt, wie unser Übernachtungsplatz in der günstigsten Kategorie der Fähre aussehen wird (das Ticket kostet ca. 60 € pro Person). Wir sind positiv überrascht: jeder von uns hat ein Bett mit so etwas wie einer Matratze, einer Decke sowie Kissen und Bettlacken. Für etwas mehr Privatsphäre sorgt ein schwerer Vorhang vor dem kojenartigen Stockbett - so lässt es sich auch in einem Raum mit ca. 45 weiteren Menschen gut aushalten. Im Vergleich zum Zug haben wir viel Platz und durch die Vorhänge bekomme ich das Gefühl in meiner eigenen, kleinen Höhle zu nächtigen. Jedenfalls ist man mehr für sich, wie in den Matratzenlagern der „Asian Style“-Kategorie. Ansonsten gibt es nicht viel Neues zu entdecken auf dem Schiff: ein Kino in dem nur koreanische Filme laufen; ein Restaurant welches schon von weitem erkennen lässt, dass es hier wohl kaum etwas für Vegetarier gibt und ein paar Sofa-Ecken mit einem Fernseher. Hier versammelt sich das überwiegend ältere Publikum für die all-abendlichen koreanischen Seifenopern. Zudem gibt es einen Duty-Free Shop, einen Mini Supermarkt in dem es Soft Drinks, eine riesige Auswahl an 2-Minute-Noodles und Süßigkeiten zu erstehen gibt und natürlich - schließlich befinden wir uns auf einem koreanischen Schiff: Karaoke! Wie in der Transsibierischen Eisenbahn gibt es kochend heißes Wasser per Knopfdruck, die Toiletten sind passabel und es gibt sogar Duschen. Mit der Fähre zu fahren ist eigentlich immer ziemlich komfortabel, es gibt viel Platz um sich zu bewegen und man muss nicht stundenlang auf seinem Platz ausharren. Alles ist soviel großzügiger als in einem Zug, Flugzeug oder Bus. Und die Aussicht auf das Meer ist unübertrefflich. Auch wenn wir dieses bisher noch nicht wirklich erblicken konnten. Auf Deck ist es extrem windig und die Sicht ist immer noch vom Smog vernebelt. Zudem geht die Sonne langsam im Dämmerlicht unter und so müssen wir auf den Meerblick wohl bis morgen warten. Als wir dann nach einer recht angenehmen Nacht am nächsten Tag an Deck gehen werden wir von Glückshormonen überschüttet: Um uns herum erstreckt sich das Gelbe Meer bis zum Horizont. Die Luft riecht salzig und der Wind bläst mich fast um - ich liebe dieses Gefühl!

 

Da das Schiff bereits einige Stunden in Verzug ist, werden alle Gäste zum Lunch ins Restaurant eingeladen. Ein feiner Zug des Fährenbetreibers. Mehrmals werden wir von netten Koreanern gebeten zum Essen zu kommen. Mit einer Handbewegung versucht uns ein älterer Herr zu erklären, dass das Essen umsonst ist: „No money, no money!“. Leider haben wir bereits von der Dame an der Rezeption erfahren, dass es keine vegetarische Alternative gibt und so bleiben wir bei unseren Tütennudeln. Als das Schiff Nachmittags langsam in den koreanischen Hafen einfährt, tummeln sich bereits alle Gäste in der Lobby - jeder möchte schließlich als erstes von Board gehen. Wir sitzen noch gemütlich in der Sofa Ecke und schauen uns das hektisch Treiben an. Hier spricht uns Djang San an, ein französischer Musiker der bereits seit über 10 Jahren in Beijing lebt und gerade eine kleine Tour durch Südkorea und Japan macht. Wir kommen ins Gespräch und er läd uns ein, am nächsten Tag zu seinem Konzert in einen kleinen Club in Seoul zu kommen. Das hört sich gut an und wir versprechen es zu versuchen!

Mit über 6 Stunden Verspätung kommen wir dann endlich bei Casey und Danny in Incheon an. Wir werden über die Weihnachtsferien drei Wochen auf ihre Katzen Kimchi und Taco aufpassen. Casey ist in Südafrika aufgewachsen und Danny kommt aus Kalifornien. Durch die Homepage www.trustedhousesitters.com werden Reisende mit Menschen in Verbindung gebracht, die auf der Suche nach Haus- und Tiersittern sind. So sparen wir uns ganze 3 Wochen Unterkunftskosten und Casey und Danny wissen, dass ihre Katzen gut versorgt sind. Eine echte Win-Win-Situation für beide Parteien. Die Zwei empfangen uns herzlich und wir verbringen einen schönen Abend mit Bibimbap und einem Glas Wein zusammen. Schon jetzt freuen wir uns auf die Zeit mit den Katzen und der traumhaften Wohnung im 14. Stock.


 Da die Beiden aber erst in einer Woche in den Urlaub aufbrechen, beschließen wir am nächsten Tag nach Seoul zu fahren und die Hauptstadt Südkoreas für ein paar Tage zu erkunden. Wir buchen für die ersten Tage zwei Betten in einem Mehrbettzimmer im Hostel und machen uns am frühen Abend auf den Weg nach Seoul. Die Stadt ist überwältigend! Überall blinken die Lichter der Werbeanzeigen und aus den unzähligen Restaurants und Geschäften der Straßen ertönt laute Musik und für uns unverständliche Werbetexte. Wir verstehen die Botschaft trotzdem: KAUFEN, KAUFEN, KAUFEN! Aber auch ohne dem Kommerz zu frönen gibt es überall etwas zu sehen, zu hören zu riechen - eine totale Reizüberflutung aus Neonlicht, Korea-Pop und Street Food-Dämpfen! Ich liebe es! Wir finden unser Hostel in einer kleinen, ruhigen Nebenstraße. Da es bereits 20 Uhr ist, machen wir uns schnell fertig und auf den Weg zum Konzert. Leider befindet sich der Club in einem ganz anderen Stadtteil und wir kommen erst gegen 22 Uhr  im "Strange Fruits" an. Es ist ein kleiner Kellerclub und anstatt lauten Konzerttönen empfängt uns ein ruhiges Publikum und experimentelle Klänge von fremden Instrumenten. Djang San empfängt uns gleich am Eingang - wir haben seinen Auftritt soeben verpasst! Er läd uns dennoch ein und wir lauschen den avantgardistischen Klangformationen traditioneller koreanischer Instrumente gepaart mit elektronischen Synthies und Effektgeräten. Nach dem Konzert leert sich der Club wie in Korea üblich sehr schnell und wir quatschen noch mit Djang an der Bar bei einem Bier. Es ist ein toller Abend und als wir auf die Uhr schauen ist es bereits halb 2. Also gönnen wir uns ein Taxi zurück zum Hostel (die sind im Gegensatz zu deutschen Taxen noch preiswert) und schlafen am nächsten Tag aus.

Seoul hat es uns angetan: wir erkunden den Changdeokgung Palace, einer der eher ruhigeren Paläste in Seoul, den wir nur durch Zufall entdecken. Hier kann man selbst am Wochenende gemütlich durch den Palastgarten schlendern ohne von Touristen überrollt zu werden. Der Eintritt kostet gerade einmal 1 Euro pro Person und die Anlage ist Weitläufig und wunderschön angelegt. Im botanischen Gewächshaus wimmelt es von jungen Paaren und stylischen Mädels die sich mit ihren Selfiesticks Instagram-gerecht in Szene setzen. Schon am Eingang ist auf einem Schild zu lesen, dass Hochzeitsfotos im Gewächshaus verboten sind, das scheint diesem frisch vermählten Paar samt Fotografen allerdings egal zu sein.

Beim Gwangtonggwan Markt probieren wir uns durch soviel Streetfood bis wir nicht mehr können und als wir uns auf den Rückweg zum Hostel machen, landen wir zufällig im Ihwa Mural Village: einem Viertel voller Streetart, Cafés und kleinen Gässchen hoch oben über der Stadt. Auch das ist Seoul: winzige Häuser und verwinkelte Gassen mit kreativen Kunstwerken. Wir haben Glück und können hier den Sonnenuntergang über der Stadt genießen. Das ist unserer Meinung nach die beste Art eine Stadt kennenzulernen: wenn man einfach erkundet, ohne aufgefalteten Stadtplan und Reiseführer in der Hand und dann wie zufällig auf solche Schätze stößt. Genau deshalb machen wir nur sehr selten Pläne während wir in fremden Städten unterwegs sind.
Nach ein paar Tagen ziehen wir dann vom Hostel in ein kleines Guesthouse um. Wir mögen es in Hostels zu übernachten und uns mit anderen Reisenden auszutauschen, im Bong House ist jedoch alles recht schäbig und abgegriffen, die dichte der gestrandeten Traveler (das Mädel aus Spanien arbeitet nun schon 8 Monate am dunklen Rezeptionspult des Hinterhaus-Hostels und wollte doch eigentlich die Welt bereisen) und nach ein paar Nächten im 8er Zimmer ist ein eigenes Zimmerchen für uns Luxus pur (für gerade mal 2 Euro mehr pro Person). Wir beantragen unser chinesisches Visum was uns fast 2 Tage Organisation kostet und besuchen den Myeongdong Nachtmarkt auf dem wir neues Street Food kennen lernen, besorgen Weihnachtsgeschenke für die Lieben zu Hause und verlieben uns in das Nationalgericht Bibimbap, eine Schale mit Reis, verschiedenem Gemüse und Pilzen, getrockentem Seegras und einem Spiegelei welches man überall als vegetarische Alternative bestellen kann. Noch besser als die herkömmliche Variante des Gerichtes ist die Version, die in einer heißen Steinschale serviert wird. Es zischt und dampft noch, wenn man das Essen serviert bekommt und der Reis wird wunderbar knusprig am heißen Stein.

Seoul ist außerdem für seine obskure Cafékultur bekannt. Es gibt -zig Cat-Cafés, ein Eulen-Café, ja sogar ein Waschbär-Café oder eines mit Erdmännchen. Wer kommt bitte auf die glorreiche Idee ein Café mit mehreren Waschbären zu eröffnen? Das ist uns dann doch eine Nummer zu krass. Wir sind da eher skeptisch was den Hype um die Tier-Cafés angeht und entscheiden uns für die Light-Variante. Im "Thank You Nature" Café gibt es neben unglaublich leckeren Waffeln, AUßERHALB des Cafés zwei extrem enstspannte Schafe die mitten in der Stadt in einem kleinen Freigehege leben und die man nach einem anständigen Kaffee streicheln kann, solange sie das wollen. Jederzeit können sie sich in ihren für Besucher unzugänglichen Stallbereich zurückziehen, verbringen ihre Zeit jedoch hauptsächlich im Außengehege mit fressen und gekrault werden. Flauschig sind sie jedenfalls! Schafe sind sicherlich auch besser auf einer Wiese im Grünen aufgehoben, als in einer Millionenstadt. Wir hatten aber dennoch das Gefühl, dass es Lulu und Luna gut geht und sie so artgerecht wie möglich gehalten werden. Jedenfalls scheint es ihnen besser zu gehen, als dem gemeinen industrialisierten Woll- und Fleisch-Schaf. Und sie sind so unglaublich flauschig (wollte das nur nochmal erwähnt haben).

Nach 4 Tagen können wir dann unser neues China Visum abholen. Am letzten Tag in Seoul machen wir uns auf zu unserem nächsten Abenteuer: wir wollen eine Nacht in einem koreanischen Spa verbringen. Wir dürfen unser Gepäck im Guesthouse lassen und nachdem wir uns beim Spaziergang durch die Stadt richtig durchgefroren sind, brechen wir nachmittags zu unserer ersten Jimjibang Erfahrung auf. In Korea gibt es diese Badehäuser in jeder Stadt: viele von ihnen sind 24 Stunden geöffnet und haben neben verschiedenen Saunen und heißen Bädern meistens noch einen Entertainment Bereich, Ruhebreiche zum Schlafen, Ein Restaurant und viele weitere Annehmlichkeiten zu bieten. Anders als in den Saunen die wir aus Deutschland und den skandinavischen Ländern kennen, lässt man in den koreanischen Trockensaunen seine Kleidung an. Um genau zu sein, bekommt jeder am Eingang eine Art Pyjama den jeder tragen muss. In dieser wunderbaren Orange-Roten Kombination sehen alle Menschen gleich dämlich aus.

Es gibt nur einen Ort hier in dem man dieses tolle Outfit nicht trägt: im Waschhaus. Hier sind auch alle Menschen gleich: denn alle sind nackt. Anders als im Rest des Jimjilbang wird hier nach Geschlecht getrennt gebadet. Es wird sich ausgiebig (bei den einheimischen fast exzessiv) gewaschen und in den verschieden heißen Pools entspannt. Es ist herrlich! Wir sind zu Beginn beide noch etwas skeptisch und als wir uns direkt hinter der Kasse trennen müssen, verabreden wir uns für eine halbe Stunde später im Gemeinschaftsbereich. Unsere Bedenken, dass es seltsam sein könnte, sich getrennt voneinander unter lauter nackten Koreanern zu waschen und in riesigen Whirlpools zu entspannen lösen sich schnell in Luft auf: als wir uns eine gute halbe Stunde später vor dem Restaurant treffen, sind wir total entspannt und uns einig: wir hätten es locker eine Stunde länger ausgehalten. Nun erkunden wir aber erstmal den Rest des Spas. Der Entertainment-Bereich besteht aus einer Leseecke, einem Fitnessstudio, einem Computerraum, einem Kino, einer Arcade mit Spielautmaten aus den 80ern und natürlich: einem Karaoke-Raum. Ein Stockwerk darüber finden wir die Trockensaunen: es gibt bestimmt 8 verschiedene Saunen mit unterschiedlichen Tempereaturen und untergründen. Meine Lieblingssauna wird am Ende die Clayball Sauna (sie ist gefüllt mit kleinen Tonkugeln in die man sich eingraben kann). Im obersten Stockwerk befindet sich der Ruhe- und Schlafbereich. Hier gibt es kleine Höhlen und großzügige Stockbetten mit Vorhängen. Wir sind begeistert! In jedem Stockwerk liegen dünne Bastmatten auf dem Boden und man kann sich wirklich ÜBERALL hinlegen! Der Steinboden ist beheizt und selbst der ältere Herr der sich im Treppenhaus zum schlafen auf die kühlen Fliesen gelegt hat scheint für niemanden etwas Besonderes zu sein. Im Gemeinschaftsraum läuft Jurassic Park und die Leute plaudern gemütlich. Für die Herren gibt es einen Friseur, ein Nail Salon darf natürlich auch nicht fehlen und wer möchte, kann sich nach dem Bad massieren lassen. Wir lieben das Siloam, ich glaube es gibt kaum einen entspannteren Ort auf der Welt. Wir essen ein tolles brutzelndes Bibimbap im Restaurant und legen uns gegen 12 in den Ruheraum zum schlafen. Wir dachten anfangs, dass 20 Stunden im Jimjilbang etwas zu viel des Guten sein könnte, doch wir hätten definitv noch einen Tag länger bleiben können und sind etwas wehmütig, als wir das Spa um 12 Uhr mittags schon wieder verlassen  müssen. Der Eintritt für den Nachttarif lag übrigens bei 12 Euro pro Person und war günstiger als die Hostelbetten! Das Siloam Jimjilbang befindet sich direkt am Bahnhof und ist deshalb wunderbar zu erreichen. Ein Jimjilbang sollte jedenfalls bei jedem Seoul-Besucher auf der To-Do Liste stehen. Wir können es jedem nur empfehlen!!!

Seoul ist eine aufregende Stadt die wir definitiv jedem ans Herz legen können. Man könnte hier sicherlich ein Leben lang jeden Tag in einem anderen Restaurant oder Café essen gehen oder sich dem wundervollen Streetfood hingeben - es gibt so unglaublich viel zu entdecken. Südkorea ist eines der reichsten Länder Asiens und Seoul eine der modernsten Städte die wir je gesehen haben. Die Stadt ist absolut konsumorientiert und die Werbung und Geschäfte können eine Überforderung für die Sine darstellen. Wenn man sich hier aber einfach etwas treiben lässt und alles nicht zu ernst nimmt, findet man auch diese charmanten kleinen Gassen, die ruhigen Gärten und die leckeren, günstigen Garküchen die die Einheimischen so lieben. Wir haben unsere Woche in Seoul jedenfalls genossen und sind uns sicher, dass es bestimmt nicht der letze Besuch war.