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Couchsurfing in Mongolia

Ganbaatar fährt im Minibus mit Allradantrieb und Schnorchel vor und wir schmeißen unser Gepäck auf die hinteren Plätze. Zunächst versuchen wir noch weitere Mitfahrer am Busbahnhof aufzusammeln, nach einer Stunde erfolgloser Suche, machen wir uns dann aber doch nur zu dritt auf den Weg ins 500 Kilometer entfernte Kharkhorin, wo unser Couchsurfing Host mit seiner Familie wohnt. Er ist super sympathisch und sehr witzig und erzählt uns ein bisschen von der Tour zur Wüste Gobi, die er gerade unternommen hat während wir uns langsam durch den zähen Verkehr der Stadt schieben. Außerhalb der Innenstadt sehen wir rechts und links schwarze Schornsteine und schäbige Fabriken im Sekundentakt an uns vorbeirauschen. Der Stadtrand ist in Smog gehüllt als wir an einem der vielen Ger-Viertel (ganze Vorstädte, die nur aus Jurten zu bestehen scheinen) vorbei fahren komme ich aus dem staunen mehr raus. In Ulan Bator leben ungefähr 1,5 Millionen Menschen, das ist die Hälfte der gesamten mongolischen Bevölkerung. Allerdings lebt davon der Großteil in den Randgebieten der Stadt in den traditionellen Jurten und kleinen illegal erbauten Hütten. Hier gibt es kein ausgebautes Abwassersystem und da der Winter jedes Jahr aufs neue mit extremen Minustemperaturen wiederkehrt und es nicht gerade viel Baumbestand in der Mongolei gibt, wird hauptsächlich mit Kohle angefeuert. Eine Jurte ist zwar schnell erwärmt aber es ist auch schwierig die Wärme im Zelt zu behalten und so tragen die Jurten neben dem erhöhten Verkehrsaufkommen der letzten Jahre und dem maroden Energiemanagement der Stadt hauptsächlich im Winter enorm zur hiesigen Luftverschmutzung bei. Doch sobald wir das Tal verlassen lichten sich die Häuser schnell und vor uns breitet sich erneut die mongolische Steppe aus - weite, braun gefärbte Landschaften erstrecken sich kilometerweit bis zum Horizont. Nach ein paar Stunden Fahrt halten wir in einem Bak (Bak bedeutet so viel wie „Team“. Das sind winzige Siedlungen in der Steppe, meist nur bestehend aus ein paar wenigen Häusern und evtl.  einer Tankstelle) um Mittag zu essen. Wir erklären Ganbataar - den wir ab jetzt nur noch Ganaa nennen sollen - dass wir Vegetarier sind und ob es ein Problem werden könnte, auf dem Land etwas ohne Fleisch zu bekommen. „No problem, no problem!“ lacht Ganaa und erklärt der Dame hinterm Tresen irgendetwas auf mongolisch. Die Einrichtung des kleinen „Restaurants“ ist typisch spärlich gehalten. Wie immer läuft ein Fernseher  mit irgendeiner koreanischen Seifenoper, schlecht mongolisch synchronisiert und der Tisch ist etwas klebrig vom Gast vor uns. Wir bekommen Pulverkaffe hingestellt (auch das kennen wir schon seit Sibirien) und wenig später bringt die Dame einen Teller mit Reis und einer Art Salat aus Eiern, Tomaten, Gurken und einer Mayonnaise-Soße. Eigentlich absolut nicht nach unserem Geschmack aber da sie es extra für uns auftischen nehmen wir es dankend an - das Essen schmeckt erstaunlich lecker. Ganze 1,30 € kosten uns die üppigen Portionen inkl. des „Kaffees“. Weiter geht es stundenlang durch die immer gleiche karge Landschaften der Blick aus dem Fenster und die traditionelle Musik aus dem Kassettendeck wirkt wie hypnotisch und ich döse irgendwann erschöpft weg. Wach werde ich erst durch ein beherztes Bremsen Ganaas: Neben uns taucht eine riesige Sanddüne auf: „Let’s have a look at the Semi-Desert!“ ruft er mit einem breiten Grinsen und biegt auf eine holprige Sandpiste ab, vorbei an einer Touristengruppe auf Kamelen. „You can have a walk up there, I will wait here for you“. Also packen wir die Drohne und unsere Kameras ein und stapfen durch den feinen Sand. Oben angekommen überblicken wir eine kleine Dünenlandschaft, in der Ferne erheben sich mächtige Berge in den Himmel und auf der anderen Seite verfärbt dich der Himmel über der weiten Steppe schon ins dunkle Rot der untergehenden Sonne. Wir sind ganz alleine auf der Düne, nur von weitem trägt der Wind das herzhafte Lachen spielenden Kindern zu uns und eine mongolische Touristengruppe macht sich gerade wieder auf den Weg zurück zum Auto. Als die Kinder das surrende Geräusch der Propeller unseres Quadcopters hören, rennen sie mit suchenden Blicken gen Himmel auf uns zu und versuchen das Unbekannte Flugobjekt auf sich aufmerksam zu machen. Wir scherzen ein bisschen mit Ihnen, dann ist das alles schon nicht mehr so interessant und sie rollen sich die Düne hinab zum Jurtenlager. Auch wir bemerken, dass wir wohl schon fast eine dreiviertel Stunde hier oben unterwegs sind.  Ganaa wartet bereits und hat das Auto in der Zwischenzeit blitz sauber geputzt. Im Zwielicht der Abenddämmerung geht es dann weiter Richtung Kharkhorin. Es ist bereits dunkel als wir bei Ganaas Familie ankommen. Wir werden in ihr Guesthouse/Duschhaus geführt. Das Erste ist hauptsächlich für Touristen bestimmt, das zwote Funktion des Gebäudes ist jedoch auch bei der einheimischen Bevölkerung beliebt. Vor allem Sonntags ist hier reger Betrieb und ganze Familien warten im Flur, bis die Kinder sauber genug für den bevorstehenden Schultag aus den Duschräumen treten. Wir werden in ein privates Zimmer geführt. Hier dürfen wir also Couchsurfen! Zum Abendessen werden wir aber in die Hauptjurte eingeladen und bekommen eine leckere vegetarische Suppe serviert. Die ganze Familie ist da - Ganaa und seine Frau Suvd haben 4 Töchter und einen Sohn der momentan die Uni in Ulan Bator besucht. Die kleinste Tochter ist 3 Jahre alt und kommt mit einem Teller Chips zu uns und möchte uns unbedingt damit füttern. Der Wohnbereich der Familie besteht aus zwei miteinander verbundenen Jurten - eine privates Wohn- und Schlafzimmer für die Familie, die andere fungiert als Küche, Büro und Treffpunkt für Familie und Gäste zugleich. In dieser „Community Ger“steht auf einer Seite ein riesiges Sofa, davor sind kleine Tische aneinandergereiht. Der Holz- und Kohleofen ist das wichtigste Werkzeug im winterlichen Kharkhorin und wird dank durchdachter Konstruktion auch täglich zum Kochen genutzt. Komplettiert wird die gemütliche mongolische Behausung durch eine Spüle, Kühlschrank, einer reich verzierten Holztheke sowie einem kleinen Schreibtisch und natürlich WLAN. Durch eine kleine Tür kommt man dann in die eigentliche Privatwohnung der Familie. Um diese große Doppel-Jurte sind noch eine Hand voll kleinere Jurten verteilt. In einer schläft Suvds Großvater. „Er ist bereits 200 Jahre alt“, verkündet Ganaa mit einem verschmitzten Lächeln (tatsächlich ist er wohl um die 98 Jahre alt - falls das nun stimmt, immer noch ein stolzes Alter). Ein weiteres der kleinen Nomadenzelte wird an Gäste vermietet in einem anderen lebt Ganaas Nichte. Der Familienalltag spielt sich aber immer in der zentralen Hauptjurte ab und jeder hat seine Rolle zu spielen im Familienunternehmen. Alle gehen sehr herzlich miteinander um, jedesmal wenn wir an die Tür der Jurte klopfen, bekommen wir sofort Tee oder Kaffee und in der Regel auch etwas schmackhaftes zu Essen vorgesetzt. Wir verbringen wunderbar entspannte Tage bei Suvd, chillen in der Jurte, spielen mit den Kindern und beobachten das Familientreiben. Wir machen kurze Spaziergänge durch das Städtchen, besuchen den nahegelegenen Tempel und erfahren dort viel von der teils tragischen Geschichte Kharkhorins. Nachdem dann ein ganzer Tag und eine ganze Nacht Schnee fiel, überrascht uns ein unglaubliches Winter-Wunderland, als wir morgens die Vorhänge aufziehen. Die tristen Ocker-Töne der mongolischen Herbstlandschaft sind unter einer dichten, in der Sonne glitzernden Schneeschicht versteckt - alles wirkt nun wie von der Natur aufgeräumt.

Motiviert durch den neuen Anstrich machen uns auf zu einer traumhaften Wanderung in die nahegelegenen Berge und folgen dabei den Spuren der Yaks und Ziegen um nicht im Neuschnee zu versinken. Es ist ein perfekter Tag in der Natur voller mongolischer Klischees: Adler kreisen hoch oben im wolkenlosen Himmel, die Ziegen zupfen winterharte Kräuter von den Berghängen die vom Wind schon wieder freigeblasen wurden, ein alter Mann kommt uns auf einem der zähen mongolischen Pferde entgegen und abends bekommen wir eine leckere wärmende Mahlzeit von Ganaas Nichte serviert. Von diesem Erlebnis angespornt beschließen wir nach ein paar Tagen eine dreitägige Tour in die Wildnis der Mongolei mit Ganbaatar zu unternehmen. Im Sommer ist es eigentlich kein Problem durch die Mongolei zu trampen und einfach dort das Zelt aufzuschlagen wo es einem gefällt. Da das öffentliche Transportsystemen nicht besonders gut ausgebaut ist (in der Mongolei leben gerade mal 3 Millionen Menschen verstreut über 1.566.000 km²) benutzen viele Mongolen ohne fahrbaren Untersatz trampen als bevorzugtesTransportmittel und bezahlen dann einen Anteil des Benzins. Leider ist dies für uns momentan keine Option, da der Winter hier bereits kraftvoll zugeschlagen hat und somit weder Trampen noch Zelten sicher wäre (ich befürchte den Tod durch erfrieren). Also machen wir uns auf in Ganbaatars Prius um das Herz der Mongolei zu erkunden. Die Straßen sind vereist und heftige Schneeböen fegen über den Asphalt, aber das scheint hier keinen zu stören. Alle fahren hier mit ihren Hybrid Familienkutschen mehr oder weniger sicher durch die Gegend. Nachdem Ganaa das Proviant der bevorstehenden Reise besorgt hat und wir uns im Kindergarten bei seiner süßer Tochter verabschiedet haben, wollen wir außerhalb der Stadt nur noch kurz tanken. Leider bekommt Ganaa den Tank Deckel nicht auf - “My wife broke it!” lacht er und wir fahren nochmal zurück um uns von seinem Neffen mit diesem Problem helfen zu lassen. (Am Ende wird Tobi den beschädigten Kabelzug des Öffnungsmechanismus’ mit einem seiner Kabelbinder reparieren;) Vollgetankt geht es dann endlich los. Der Prius gleitet leise durch das Schneegestöber und Ganaa führt uns sicher und konzentriert durch diese verwunschene Winterlandschaft. Wir rauschen vorbei an riesigen Yakherden, den Wintercamps der Nomaden und  einer beeindruckenden Landschaft, die im Sommer bestimmt ein ganz anderes Gesicht zeigt. Auf dem Weg bekommen wir viel zur Geschichte des Landes, der Sitten der Mongolen und der heutigen Lebensart der Nomaden erklärt. Die 17 Jahre Erfahrung als Tour Guide sind unserem Host leicht anzumerken. Nach ca. 2 Stunden Autofahrt halten wir nahe eines klaren Gebirgsflusses: “Lets have Picknick here”. zwinkert uns Ganaa zu. Es sind -15 Grad und um uns herum ist die Landschaft immer noch tief unter einer dichten weißen Decke aus Schnee versteckt, die jedes Geräusch zu dämpfen scheint. In der Ferne sehen wir einen kleinen Jungen die Yaks mit einem Fahrrad eintreiben und Ganaa macht sich ans Werk: er öffnet den Kofferraum, räumt das ganze Gepäck aus, baut einen camping Kocher auf, lässt Wasser kochen und fängt an Gemüse zu schnibbeln. Der Kofferraum wird damit im Nu zur Outdoor-Küche. Wir erkunden während dessen die Umgebung und als wir eine viertel Stunde später zum Auto zurückkehren, bekommen wir erst einmal eine heiße Tasse Tee in die Hände gedrückt und kurz darauf eine frisch zubereitete, unglaublich gute Gemüsesuppe! Unsere großen Tracking-Rucksäcke werden kurzerhand zu Sitzgelegenheiten umfunktioniert. So sitzen wir im Schnee und die Sonne strahlt uns ins Gesicht während wir unsere wärmende Mahlzeit genießen. Es ist einfach ein wunderschöner Moment und wir wissen spätestens jetzt dass die nächsten Tage etwas ganz Besonderes sein werden.
Im abendlichen Dämmerlicht verlassen wir die asphaltierte Straße und Gambataar führt uns zu einem riesigen Felsen der ganz einsam aus der sonst so Flachen Landschaft emporragt. Der Schnee ist hier mittlerweile fast verschwunden und die Abendsonne lässt den Felsen in matten Rottönen scheinen. In diesem Moment wirkt alles wie mit Wasserfarben gemalt. Etwas weiter von uns entfernt stoßen ein paar Mongolen mit dem Vodka an, den Sie vorher noch in sparsamen Spritzern den Ahnen der Vergangenheit geopfert haben. Es ist ein heiliger Felsen mit uralten mongolischen und buddhistischen  Schriftzeichen verziert. Uns wird erklärt, dass die Männer versuchen müssen Steine über den Fels zu werfen. Das soll Glück bringen. Also versuchen Ganaa und Tobi ihr Bestes, der riesige Felsen scheint jedoch unbezwingbar.


Als wir wieder im Auto sitzen und zurück zur befestigten Straße fahren ist die Sonne längst hinter den Bergen verschwunden. Eigentlich möchte Ganaa mit uns zu einem Freund fahren der mit seiner Familie hier in der Nähe in einer Jurte lebt. Da die Familie nomadisch lebt, kennt Ganaa aber natürlich nicht den genauen Standort der Jurte und im dunkeln finden wir sie einfach nicht in der weite der mongolischen Steppe. Also halten wir irgendwann in einer der kleinen Bak-Siedlungen an. Ganaa klopft an irgendein Haus und wir dürfen bei der Familie übernachten und kochen: das nenne ich Gastfreundschaft! Hier scheint es ganz normal zu sein Fremde in das Haus einzuladen, auf einen Tee, eine Mahlzeit oder auch zum übernachten. Als wir noch in Ulan Bator waren haben wir im Hostel einen weltreisenden Franzosen kennengelernt der uns erzählt hat, dass er fünf Tage in der Wildnis wandern war. Jeden Abend hat er dann einfach an irgendeiner Jurtentür geklopft und pantomimisch gefragt, ob er hier schlafen darf - er wurde kein einziges Mal abgewiesen. Natürlich bezahlt man dafür einen kleinen Obolus (dieser ist wirklich nicht der Rede wert), dennoch fasziniert uns dieser Umgang miteinander. Während Ganaa also wieder sein Koch-Equipment auspackt und anfängt das Essen zuzubereiten, freunden wir uns mit dem Sohn der Gastfamilie an. Der kleine Junge schaut uns zunächst nur mit großen schüchtern Augen an, aber als wir eine kleine selbstgemachte Figur zum spielen geben und ein bisschen Quatsch machen, bekommen wir ihn kaum noch los. Die Mutter bekommt ihn Abends nur sehr widerwillig ins Bett. Am nächsten Tag beim Toilettengang im Hinterhof entdecken wir einen stattlichen Yak-Kopf auf der Treppe. Er liegt da so selbstverständlich wie bei uns ein Blumentopf im Garten steht. Wahrscheinlich wurde das Yak erst vor kurzem geschlachtet und zum kühlen draußen aufbewahrt. Ein Eisschrank ist bei diesen Temperaturen ja auch nicht nötig. Welcome to Mongolia!
Langsam verändert sich die Landschaft. Mehr Berge, mehr Bäume und immer wieder Flüsse und Bäche die die Landschaft durchziehen. Wir halten an einem riesigen Canyon der sich hier durch die Steppe zieht. Ich laufe die tiefe Schlucht entlang und versuche mir auszumalen, mit welchen Kräften die tektonischen Bewegungen die Erde hier entzwei rissen. Mit Ganaa fühlt es sich mittlerweile so an, als ob wir mit einem alten Bekannten unterwegs sind, der uns seine Heimat zeigt. Wir können anhalten wann und wo wir wollen und Ganaa is einfach ein großartiger Entertainer. Nach einer sehr holprigen Fahrt über Vulkangestein und einer wahrhaftigen Off-Road Tour (wir sind immer noch im Prius unterwegs und zwischendurch denke ich: gleich setzen wir auf, gleich kippt das Auto um, gleich bleibt es einfach stehen weil der Motor überhitzt) kommen wir am Rande eines Vulkans an. Wir machen uns alleine auf den Weg zum hoch oben gelegenen Krater und als wir ankommen, können wir eine Aussicht genießen, die den Versuch einer Beschreibung eigentlich nicht lohnt. Vor uns öffnet sich zur einen Seite der tiefe Krater des Vulkans, im Hintergrund lassen sich die weißen Bergspitzen des umliegenden Gebirges erkennen. Auf der anderen Seite hingegen eröffnet sich vor uns ein weites Tal. Die Landschaft ist unglaublich faszinierend, durch eine mächtige Eruption ist die Erde mit tiefschwarzem Vulkangestein bedeckt der Schnee der sich hier und da übers Tal zieht steht dazu in hartem Kontrast. Aus dem scheinbar kargen Boden erheben sich anderorts kleine, kahle Nadelbäume empor und weit entfernt am Horizont wächst die nächste mächtige Bergkette aus dem Boden. Natur lässt sich so schwer in Worte fassen und diese Aussicht ist überwältigend. Wir vergessen ein bisschen die Zeit und als wir zurück zum Auto kommen sind bereits 1 1/2 Stunden vergangen. Vorsichtig tasten wir uns weiter über die eigentliche Allradstrecke. Hinter den nächsten Hügeln liegt unser eigentliches Ziel: White Lake. Leider streikt der Prius dann doch irgendwann am extrem steilen Berghang und wir müssen einen weiteren Umweg in Kauf nehmen. Nach ein paar Minuten sehe ich ein Schild zwischen ein paar Bäumen stehen: Gibt es hier Bären? Ganaa sagt, ich muss mich getäuscht haben. „Nicht hier - Wölfe, ja, aber keine Bären!“ Wir drehen extra nochmal um und tatsächlich: das Schild warnt vor Bären. Das kann selbst unser erfahrener Guide nicht erklären, er ist fest davon überzeugt dass es hier keine Bären gibt. Endlich am See angekommen. lassen wir ein Touristencamp (das ist bis auf ein französisches Pärchen leer) hinter uns und biegen in Richtung Berge ab: hier oben liegt das Wintercamp der Nomaden. Ungefähr 8 Jurten drängen sich am windgeschützten Berghang. Aufgeregt rennen die Hunde auf das Auto zu und machen sich lautstark bemerkbar. Gambataar lässt den immer noch oft gebrauchten Begrüßungsruf Richtung Jurten schallen: „Haltet die Hunde!“ Die Ziegen machen müde ein paar Schritte zur Seite und von weitem ist zu erkennen, wie die Yakherde gemächlich zum Camp zurück getrieben wird.

Ein junges Mädchen, vielleicht 10-11 Jahre, öffnet schließlich eine der kleinen Türen und nach einem kurzen Gespräch findet Ganaa heraus, dass sein Freund noch im Dorf ist und wohl erst in ein paar Stunden wieder kommt. Wir dürfen dennoch in seiner kleinen Jurte warten und sehen zum ersten Mal eine echte von Nomaden bewohnte Winterjurte von innen. Der kleine Raum ist es dank des Ofens und des gut brennbaren, getrockneten Yakdungs schnell gewärmt und wir erblicken tausend kleine Schätze im gemütlichen Chaos. Drei Betten stehen hier an die runden Wände gerückt, eines ist fast komplett mit frischem Brot und einer mongolischen Spezialität aus Yak-Joghurt zugestellt. Daneben ein großer Destillier-Kessel: zur Herstellung von Vodka. Aber nicht aus Kartoffeln, der Klarschnapps wird hier aus (was denn sonst) fermentiertem Yak-Joghurt hergestellt, erklärt uns Ganaa. An der Zeltwand hängt ein uraltes tschechisches Gewehr und am mittleren Stützbalken ist ein kleiner Schminkspiegel befestigt. Während wir uns so umschauen holt Ganaa schon wieder den alten Gaskocher aus der Kiste: nie möchte er sich helfen lassen. Wie immer schmeckt es super! Nach dem Essen beschließen wir noch einmal runter zum See zu spazieren. Die Yaks sind mittlerweile zurück am Wintercamp und ein besonders schönes Exemplar wurde heute zur Schlachtung eingefangen. In seinem Gesichtsausdruck meinen wir zu erkennen, dass es wohl ahnt was auf es zukommt. Ganaa hat uns angeboten bei der Schlachtung dabei zu sein, ich habe schnell abgewehrt! Zwar gehen die Mongolen generell, und die Nomaden im Besonderen bewusster mit der Natur und dem Konsum von Fleisch um (im Winter wird meist ein Pferd und ein Yak, oder eine Kuh geschlachtet und über den Winter ernährt dies die ganze Familie - nichts vom Tier wird vergeudet, alles wird verwertet). Dennoch brauche ich mir dieses Leiden nicht anzusehen. Wir machen uns lieber schnell auf den Weg nach unten, denn die Sonne steht schon wieder sehr tief. Wir sind jedoch zum perfekten Zeitpunkt zum See gekommen. In der meterdicken Eisschicht des großen Sees spiegelt sich nun die Abendsonne in tiefen Orangetönen. Tobi lässt die Drohne steigen während ich auf dem Eis umher schlitter. Die umliegenden Berge umrahmen denn See wie riesige Scherenschnitte - Die Szenerie ist wunderschön, aber die bittere Kälte drängt mich nach und nach zurück zum prasselten Feuer in der Jurte. Das Thermometer im Auto hat uns -18 Grad angezeigt und nachts sollen die Temperaturen auf -26 Grad sinken. Als die die Drohne dann ihren wohlbekannten Warnton aufgrund der fast aufgebrauchten Batterie ausstößt, sind wir komplett durchgefroren und machen uns zügig auf den Rückweg. Schon kommt uns Ganaa mit dem Auto entgegen: “I thought you might be cold!”. Während wir am See waren ist Ganaas Freund zurück in Camp gekommen und unser Schlaflager in der Gäste-Jurte wurde bereits hergerichtet. So sitzen wir abends beim prasselnden Feuer des Ofens in der Jurte und erzählen uns beim Schein unserer kleinen Camping Lampe Geschichten. Ganaa erklärt uns, dass die Nomaden viermal im Jahr ihr Camp wechseln. Früher sind sie öfter umgezogen und haben weite strecken mit ihren Tieren zurückgelegt. Heutzutage ziehen die Nomaden jedoch hauptsächlich von einem Gebiet ins andere, weil dies von der Regierung so festgelegt wurde um die Natur und die Weidegründe zu schonen. Dabei wechseln Sie in der Regel zwischen Frühlingscamp, Sommercamp, Herbstcamp und Wintercamp. Das Wintercamp in dem wir uns befinden liegt nur wenige Kilometer vom Sommercamp entfernt am Berghang, um vor dem Wind und dem rauen Wetter des Winters etwas besser geschützt zu sein. Im Sommer ziehen sie dann wieder runter zum See und bieten Reisenden ein Dach überm Kopf wenn das Touristencamp bereits voll ist. Draußen beginnt es zu schneien und wir hören den Wind an die Jurte peitschen. Ganaa kocht für uns eine Art salzigen Milchreis aus Yakmilch und grünem Tee aus den Bergen, eine mongolische Spezialität und nach dem Essen legen wir uns schläfrig in unsere Betten. Es ist immer noch sehr warm in der Hütte doch die Nacht wird unglaublich kalt. Als Ganaa bemerkt wie ich mich im Bett herumwälze, steht er mitten in der Nacht auf und heizt den Ofen wieder an. Gambataar, du bist der Beste! Am nächsten Morgen beim Zähneputzen vor der Jurte genießen wir die Aussicht auf diese einzigartige Landschaft während die Ziegen versuchen die letzten trockenen Kräuter unter der neuen Schneeschicht zu finden. Ich frage mich, wie die Menschen es schaffen hier im Winter auszuharren. Wir sind bereits nach 5 Minuten Morgenroutine komplett durchgefroren. Schon nach einigen Minuten ohne Handschuhe, fühlen sich die Fingerspitzen an, als ob jemand mit dem Hammer darauf eingedroschen hat. Die Menschen die hier leben müssen im Winter bei –46° C jeden Tag nach draußen nur um auf die Toilette (ein zum Tal offener Verschlag, der sich natürlich auch im Freien befindet). Es ist spannend einen kleinen Einblick in dieses immer noch sehr harte Leben der Nomaden zu erhaschen und wir sind dankbar diese Seite der Mongolei kennengelernt zu haben. Nach dem Frühstück machen wir uns langsam auf den Rückweg. Noch ein letzter Halt am See, ein kleiner Stopp bei einer unterirdischen Höhle (die allerdings zu voll mit Wasser ist um hineinzuklettern) und schon sind wir wieder auf befestigten Straßen unterwegs zurück nach Kharkhorin, zurück zu Ganaas Familie für ein paar letzte Tage bevor es wieder in die Metropole Ulan Bator geht. Danke Ganaa und Suvd für diese einzigartigen 1 1/2 Wochen. Danke für eure Gastfreundschaft, den liebevollen und respektvollen Umgang den ihr pflegt und die Einblicke die ihr uns euren Alltag gewährt habt. Wir kommen bestimmt zurück!

Um uns bei Suvd und Ganaa für die tolle Zeit zu bedanken haben wir ein paar Fotos für Ihre neue Homepage geschossen und ein Video über diese wunderbaren Menschen und ihr kleines Familienunternehmen produziert: