Der reiche See - Russland Teil 4

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Unsere Fahrt von Jekaterinburg nach Irkutsk beginnt etwas holprig - wir fühlen uns beide nicht fit, Tobi schleppt immer noch eine Erkältung mit sich herum und ich habe durch den vielen Käse im georgischen Essen Bauchschmerzen und fühle mich unwohl. Unsere Sitznachbarn sind diesmal 2 Kerle die weder mit uns noch untereinander ein Wort wechseln. Die Schaffnerin unseres Abteils schaut ziemlich mürrisch als wir einsteigen und wir haben das Gefühl dass sie uns nicht gerade wohlwollend gegenüber steht. An der Fensterseite gegenüber sitzt ein älteres Ehepaar. Die Dame versucht sich mit uns zu unterhalten aber es ist alles etwas wirr und anstrengend. Ihr Mann brummt irgendetwas auf russisch und sie verdreht die Augen und sagt zu uns: „He is stupid!“. Die Schaffnerin stampft durchs Abteil und verteilt die obligatorischen Bettbezüge. Wir lehnen ab, schließlich haben wir unsere leichten Hüttenschlafsäcke dabei und brauchen nicht extra für Bettwäsche zu bezahlen. Das haben wir bisher immer so gemacht. Scheinbar findet die Schaffnerin das aber ziemlich unmöglich, denn im Laufe unserer Fahrt werden wir immer wieder zum Lacher des Abteils. Wenn sie an uns vorbei kommt, fällt ihr anscheinend immer wieder ein neuer Gag ein: Es wird auf uns und unsere Inlets gezeigt, ein russischer Kalauer vorgetragen, worauf unsere Sitznachbarn dann in nervöses Gelächter verfallen. Wir lachen einfach mit. ¯\_(ツ)_/¯

Unsere Sitznachbarin mag Kreuzworträtsel und russischen Klarschnaps

Auch die mittlerweile allem Anschein nach etwas angetrunkene Dame an der gegenüberliegenden Fensterseite kann nicht glauben dass wir keine Bettwäsche wollen und denkt wohl es handelt sich um ein Missverständnis. Wenig später taucht sie wieder mit der Schaffnerin auf und zeigt auf unser Bett. „I - help - you!“ trägt sie stolz vor und zeigt auf die Bettwäsche. Wieder verneinen wir und zeigen auf unsere Schlafsäcke. Sie scheint nicht ganz zu verstehen wie das funktionieren soll und Tobi demonstriert in bester Tele-Shopping-Manier die Funktion des dünnen Schlafsacks indem er hineinkriecht. Die Dame grinst voller Unverständnis, lässt uns aber schließlich damit in Ruhe. Vielleicht hätten wir einfach die Bettwäsche nehmen sollen und uns damit dieses Schauspiel erspart, doch wozu schleppen wir dann überhaupt unsere Travel Liners mit uns herum? Am nächsten morgen bekommen wir von unserer verkaterten Mitreisenden eine Tafel Schokolade als kleine Wiedergutmachung geschenkt.

Die restlichen 58 Stunden der Reise verlaufen ähnlich wie die Fahrten zuvor: Wir schlafen viel, ich lese 2 Bücher, wir schauen Serien, kochen Tee, probieren uns in der Kunst der Zugküche (ich entwickle ein paar sehr schmackhafte Rezepte die durch Zugabe von heißem Wasser eine geniale Mahlzeit ergeben), springen immer mal wieder an Bahnhöfen aus dem Wagon um uns die Beine zu vertreten (nur um dann festzustellen, dass die Temperatur rapide fällt, je weiter wir in den russischen Osten kommen) und bewundern die immer gleichen Birkenwälder, die an uns vorbeiziehen. Nach 2 Tagen bekommen wir dann langsam doch zu viel von unserem Abteil und beschließen, uns auf die Suche nach dem Board-Restaurant zu machen um ein wohlverdientes Bierchen zu trinken. Nachdem wir zunächst einmal in die falsche Richtung bis ans Ende des Zuges gestapft sind, kommen wir bei der Durchquerung in die andere Richtung, vorbei an den schnieken Kabinen der 2. Klasse am Restaurant an. Es ist kaum etwas los und der Schaffner der uns hier bedient ist ein breit gewachsener, sehr netter Mann, der seine Zeit hier mit einer Mischung aus zocken am iPad (sieht verdächtig nach Theme Park aus:) und russischen Blockbustern vertreibt. Wir bestellen uns 2 Bier und eine Tüte Pistazien und stoßen zufrieden an. Das Restaurant in diesem Zug ist nicht so, wie ich es aus den Bildern kenne. Dort sahen die Restaurants der Transsibirischen Eisenbahn immer wie richtige Restaurants aus, mit pompöser Einrichtung und Stoffservietten auf den (Tropen-)Holztischen. Das Restaurant hier sieht eher wie ein 70er Jahre Zugbistro aus - grüne „Die Jetsons-artige“ Ledersitze an schnöden Plastiktischen. Aber immerhin: schwere rote Samtvorhänge! Die Farbigkeiten beißen sich extrem und wir sind am überlegen ob sich hier jemand an bestimmten amerikanische Fastfoodketten orientiert hat: alles so hässlich wie möglich gestalten, damit die Gäste schnell wieder raus sind und damit Platz machen für die nächste zahlende Kundschaft. Dass dieses Restaurant so ganz anders aussieht, wie man sich die klassische Transsibirische Eisenbahn vorstellt hat jedenfalls einen einfachen Grund: wir befinden uns überhaupt nicht im Zug der Transsibirischen Eisenbahn! Diese fährt nämlich nur alle zwei Tage die komplette Strecke von Moskau bis Vladivostok durch. Auf dem russischen Bahnnetz verkehren aber, wie überall sonst auch, viele verschiedene Züge auf der selben Strecke. Am Essenswagon sind dann aber doch die kleinen Unterschiede zum sonst so glorreichen transsibirischen Zug zu erkennen.
Als wir gerade unser erstes Bier geleert haben und ein zweites bestellen möchten, kommt der Schaffner zu uns und bittet uns, an einem anderen Tisch platz zu nehmen. Es hat sich eine Großgruppe von jungen Mädchen zum essen angekündigt und daher benötigen sie fast alle Tische des Restaurants. Wir werden also kurzerhand zu Felix und Pacle an den Tisch gesetzt, zwei extrem sympathische Holländer die bereits seit Moskau in diesem Zug sitzen und wie wir auf dem Weg nach Irkutsk sind. Wir verstehen uns auf Anhieb und verbringen einen sehr spassigen Abend mit den Beiden bei einigen weiteren Runden Bier im Restaurant. Die Zwei reisen schon ewig in Abständen alle paar Jahre zusammen irgendwo hin und bestreiten so trotz mittlerweile erfolgtem Familienglück und Arbeitsverpflichtungen ihre persönliche Weltreise. Eine absolute Bromance, die wir den Beiden bis in hohe Alter gönnen! Im Laufe des Gesprächs stellen wir dann fest, dass wir sogar das gleiche Hostel in Irkutsk gebucht haben und verabschieden uns gegen 23:00 Uhr mit der Gewissheit, die beiden am nächsten Morgen in Irkutsk wieder zu treffen.

..der alltägliche Blick aus dem vereisten Zugfenster

Mittlerweile haben wir seit Moskau 5 Zeitzonen durchquert und kommen am frühen Vormittag in Irkutsk an. Endlich können wir wieder aufstehen und unsere Beine bewegen! Ein letzter halb ernstgeleinter grimmiger Blick unserer Schaffnerin, kombiniert mit einem gütigen „Doswidanja“ und wir stehen im Sonnenschein vor dem Bahnhof. Gleich werden wir wieder umschwärmt von mehreren Taxifahrern, wir nehmen aber lieber den Bus zum Hostel. Auf der Fahrt bekommen wir dann gleich einen ersten Eindruck von Irkutsk - architektonisch sehr gemütlich, mit reich verzierten alten Holzhäusern und sympathischem Jugendstil, voller Menschen die sich bei sanfter Jazzmusik und Kaufhauswerbung aus Lautsprechern auf den breiten Gehwegen versuchen auszuweichen und der etwas chaotischen Grundstimmung des russischen Stadtlebens. Wir fühlen uns schnell wohl und werden im Hostel gleich von netten Reisenden begrüßt. Anders als in Moskau und Jekaterinburg ist das Rolling Stones Hostel voll mit Backpackern aus der ganzen Welt. Leider stellt sich schnell heraus: ich habe unser Zimmer zum falschen Datum, nämlich eine Woche früher gebucht. Sie haben nur noch ein Deluxe-Doppelzimmer frei (das bedeutet ein Mini Zimmer mit eigenem Bad anstatt mit Gemeinschaftsbad), welches uns immerhin zu einem reduzierten Preis angeboten wird. Doof gelaufen, wir zahlen also doppelt und das Deluxe Zimmer ist natürlich auch noch etwas teuerer als das Budget Zimmer. Egal, es bringt nichts, sich im Nachhinein über so etwas zu ärgern, wir haben uns in den letzten Monaten eine Lösungsorientierte Denkweise antrainiert und da wir uns in Russland und nicht mehr in Norwegen befinden ist der Verlust auch zu verschmerzen.
Nach der wohlverdienten Naptime machen wir uns auf, Irkutsk zu erkunden. Es gibt einen tollen Markt um die Ecke des Hostels, der alle russischen Klischees abzudecken vermag - von alten Babuschkas, die draußen in der Kälte fröhlich tratschend ihr eingemachtes Gemüse verkaufen, über die bärtigen braungebrannten Händler, die lautstark Ihr poliertes Obst anpreisen, bis zu den großen Hallen, in denen sich lange Theken mit Rohfleisch mit allerhand anderen heimischen Spezialitäten abwechseln. Die Stadt ist uns einfach sehr sympathisch. Wir schlendern durch Irkutsk und kaufen in einem kleinen Supermarkt schließlich fürs Abendessen ein. Im Hostel kochen wir bei nettem Plausch mit anderen Reisenden und organisieren uns für den nächsten Tag eine Fahrt zur Olkhon Island. Das ist die größte Insel des Baikalsees. Der Baikal See ist ca. 67 km von Irkutsk entfernt und das größte und älteste Süßwasser-Areal der Welt - 1/5 der Süßwasser-Reserven liegen im Baikal. Das hat neben der Größe des Sees vor allem mit seiner Tiefe zu tun - 1642 Meter um genau zu sein.  Wer also nach Irkutsk kommt, kommt wohl hauptsächlich wegen diesem Wunder der Natur. Die Insel Olkhon soll von faszinierenden Landschaften geprägt sein und durch ihre Abgelegenheit verspricht die Fahrt dorthin ein richtiges Abenteuer zu werden. Täglich machen sich Minibusse auf den Weg dort hin (diese kann man sich entweder direkt zum Hostel bestellen lassen, oder man macht sich morgens gegen 9:30 Uhr einfach zum Marktplatz auf und schaut sich nach einem Bus mit der Aufschrift „OLKHON“ oder „KHUZIR“ um - das ist definitiv die günstigere Variante!) und obwohl die Insel nur 250 km von Irkutsk entfernt liegt, brauchen die Busse fast 6-8 Stunden für die Stecke. Wir buchen über das Hostel zwei Plätze im Minibus und werden am nächsten Tag überpünktlich abgeholt. Der Busfahrer ist ein dicker, grimmig dreinschauender Typ mit bluetooth Headset im Ohr. Wir wuchten die Rucksäcke auf die hinterste Bank und belegen die Plätze direkt vor zwei Koreanischen Touristen. Der Bus ist angenehm leer und wir freuen uns, dass es nun los geht. Allerdings stellen wir 5 Minuten später fest: auch unser Fahrer steuert erst einmal zielsicher den Marktplatz an und versucht noch mehr Fahrgäste aufzusammeln. Okay, da hätte es sich wohl gelohnt doch zu Fuß hierher zu kommen und den Taxiservice zu sparen. 1 1/2 Stunden später zuckeln wir endlich los (kein Wunder dass der Bus so lange nach Olkhon braucht denken wir uns). Gegen Mittag machen wir halt an einer Raststätte. Die Landschaft ist mittlerweile sehr flach und trocken geworden. Hier und da tauchen kleine Dörfer auf, dessen Häuser alle samt aus Holz gebaut sind. Irgendwo im Nirgendwo biegen wir scharf ab, die Straße ist nur noch eine Ansammlung von verschieden großen Schlaglöchern, die Geschwindigkeit verlangsamt sich zunehmend und die Landschaft durchziehen mehr und mehr knorrige Nadelbäume. Plötzlich hört die befestigte Straße dann vollends auf und wir schleichen mit unserem Minibus weiter durch eine hügelige, holprige Landschaft - Corrugated Roads (Wellblechpisten) nennt man das in Australien, hier scheinen die Schotterwege zum ganz normalen Verkehrsnetz zu gehören - deshalb braucht der Bus also so lange. Wir werden durch das auf und ab etwas durchgeschüttelt, so mancher Reisender hat hier schon die ein oder andere Spucktüte benötigt. Und auf einmal taucht er vor uns auf: in tiefdunklem blau erstreckt sich der Baikalsee vor uns bis zum Horizont. Die Bergkette am linken Ufer ragt steil und unwirklich hinauf in den Himmel und in den tiefen Furchen und auf den Gipfeln ist leuchtend weißer Schnee auszumachen. Die Sonne scheint und das Wasser glitzert dunkel in der nachmittäglichen Sonne. Der Bus hält am Fähranleger und nach einer angenehm kurzen Fahrt mit der Fähre kommen wir auf Olkhon an. Die spätherbstliche Landschaft wirkt wie von einem anderen Planeten: Zunächst sehr karg und felsig fällt die trockene, dunkelgelbe Graslandschaft langsam ab in das sandige Ufer des mächtigen Sees. Nach kurzer Zeit tauchen dann die ersten bewaldeten Berghänge vor uns auf und die Küste ist von steilen Klippen geprägt. Eine ganz besondere Landschaft!

Die weiten Wälder Olkhons präsentieren sich in herbstlichen Farben

Weiter geht es nun ungefähr eine Stunde über holprige Straßen (wenn man diese sandigen, von Wellblechhubbeln durchzogene Pisten überhaupt als Straßen bezeichnen möchte) vorbei an Vieh mit langem zotteligem Winterfell und ab und an einem Schamanenschrein, dem unser Fahrer alibihaft mit dem linken Ringfinger etwas von seinem Tee entgegen schnipst: das soll die Geister milde Stimmen und gegen Unglück schützen. Hinter dem nächsten Hügel taucht dann die „Hauptstadt“ der Insel auf: Khuzir. Die Stadt besteht aus einer Ansammlung kleiner Holzhütten die durch ungepflasterte staubige Straßen miteinander verbunden werden. Sie liegt direkt am See, umgeben von dieser wunderbaren Landschaft und dennoch wirkt die 1350 Einwohnerzählende Siedlung trostlos und abweisend. Der Himmel ist mittlerweile dunkelgrau, alles wirkt heruntergekommen und ungepflegt, das Vieh bewegt sich frei durch die Gassen und die Hütten sind mit hohen Holzzäunen abgeschirmt von neugierigen Blicken. In der Dorfmitte liegt ein großer, dreckiger, halb zugefrorener Tümpel umgeben von Auto-Fracks und Plastikmüll.

Khuzir zeigt sich von seiner schmucken Seite.

Die ganze Szenerie wird von einer eigenartigen Endzeitstimmung bestimmt. Auf der ganzen Insel leben gerade mal 1700 Menschen, somit ist Khuzir das kulturelle, touristische und kulinarische Zentrum der Insel. Das bedeutet im Klartext, dass es hier ein paar kleine Läden mit immer der gleichen mickrigen Auswahl an Lebensmitteln und Konserven, sowie eine Apotheke gibt (der einzige Ort an dem man auf der Insel Geld abheben kann) - und eine kleine „Bibliothek“ , wenn man das so nennen mag. Im Sommer scheint das Dörfchen vom Tourismus überrannt zu werden: überall entdecken wir hastig zusammengezimmerte Cafés, Restaurants, Touranbieter und Hotels, die aber alle momentan geschlossen sind, was den Ort noch trister erscheinen lässt. Leider ist Khuzir mit seinem schäbigen Anstrich ein passendes Sinnbild zum Zustand des Sees. Kurz nachdem wir aus Russland ausgereist sind, lesen wir von einem verheerendem Massensterben der nur hier vorkommenden Baikal Robben. Vor Ort finden wir überall angespühlten Müll, den wir versuchen in den wenigen und hoffnungslos überfüllten öffentlichen Mülleimern zu entsorgen Die Abwässer der Bewohner fließen natürlich allesamt ungefiltert in den größten Süßwasserspeicher der Erde...  Die Einwohner sind größtenteils burjatischer Abstammung, eine mongolische Ethnie in Sibierien zu deren Tradition auch heute noch das Schamanentum gehört. Am Dorfrand befindet sich daher einer der angeblich heiligsten Orte Asiens: der äußerst beeindruckende Schamanenberg.


Wir haben uns eine kleine Hütte ca. 2 km außerhalb des Dorfes auf dem Grundstück einer gastfreundlichen Familie gemietet. Irina empfängt uns offen und herzlich, unsere kleine Hütte ist bereits aufgewärmt und wir freuen uns hier die nächsten Tage zu verbringen. Das Plumsklo befindet sich am anderen Ende des kleinen Grundstücks und das Wasser für unser Waschbecken füllen wir mit einem Eimer auf. Wir haben unsere Campingsachen dabei, da wir überlegt haben 2 Tage wandern zu gehen und unterwegs zu campen. Als wir Abends auf das Thermometer schauen und feststellen, dass es bereits -5 °C hat, entschließen wir uns aber dann doch ganz schnell die nächsten 4 Tage bei Irina zu bleiben und machen es uns in der Hütte gemütlich. Da das Grundstück der Familie auf einem Berghang liegt, hat man eine tolle Aussicht auf den See und der Weg nach Khuzir kann entweder am Strand entlang, oder durch den Wald auf sandigem Boden bestritten werden. Wir verbringen die Tage mit kleinen Wanderungen und auf der Suche nach vegetarischen Zutaten zum kochen lernen wir alle kleinen Läden des Dorfes kennen. Was uns am meisten überraschtt: überall laufen gesunde, kräftige Hunde durch das Dorf und die umliegende Landschaft.

Es gibt viele davon auf dieser Insel und alle sind total lieb und wollen nur eins: ganz viel Liebe und Streicheleinheiten. Wir sind nicht sicher, ob sie jemandem gehören, oder echte Straßenhunde sind, sie wirken aber gut genährt und relativ zufrieden. Der Dorfstrand ist wunderschön und durch die leichten Wellen vergessen wir immer wieder, dass wir an einem See und nicht am Meer sind. Nach 2 Tagen Akklimatisierung beschließen wir, eine ausladende Tagestour zu unternehmen und machen uns auf zur Ost-Seite der Insel. Es ist ein herrlicher Tag und wir wandern durch eine verwunschene Waldlandschaft.

Desto höher wir kommen, desto kälter wird die Luft und am Ende entdecken wir den ersten Schnee der wohl vor ein paar Tagen schon liegen geblieben ist. Leider stoppt der Weg abrupt vor einem steilen Berghang und wir können nicht bis zur anderen Seeseite hervordringen. Schade, aber dann wird eben an Ort und Stelle gekocht und die Drohne wird über die letzte Bergkette bis hin zum Ufer geschickt. Da es nach unserer Rast bereits später Nachmittag ist machen wir uns nach einer kurzen Pause wieder auf den Rückweg: 14 Kilometer liegen vor uns und die Sonne steht bereits sehr tief. Der Rückweg geht schneller, da es nun hauptsächlich bergab geht. Dennoch müssen wir die letzte Stunde im dunkeln laufen - kein Problem: wir haben unsere Stirnlampen in weiser Voraussicht eingepackt. Glücklich und kaputt kommen wir in unserer Hütte an. Leider hat sich Tobi irgendwann auf der 28 Kilometer langen Wanderung den Fuß umgeknickt und am nächsten Tag große Schwierigkeiten aufzutreten. Also machen wir nur einen kleinen Spaziergang zum Strand und gönnen uns Abends eine übertrieben heiße russische Banya (Sauna) mit kühlem Bier - der perfekte Abschluss unseres kleinen Olkohn Abenteuers. Die Banya befindet sich direkt auf Irinas Grundstück und wird mit einem Feuer im angebauten gusseisernen Ofen geheizt. Wir haben den kleinen Raum nur für uns und zwischen den Saunagängen genießen wir die eiskalte Luft und unser Dosenbier auf der Veranda. Hier wartet geduldig einer der wilden Hunde der Insel auf uns. Er ist uns auf dem Rückweg vom Dorf bereits den letzten Kilometer gefolgt nachdem wir ihm ein paar Streicheleinheiten gegeben hatten. Irgendwie hat er sich durch den groben Lattenzaun gedrückt und wartet nun jedesmal sehnsüchtig auf uns, bis wir aus der Sauna in die kalte Nacht treten. Unser Herz schmilzt als uns der mächtige, eisbärähnliche Hund  schließlich zu unserer Hütte folgt und sich auf die kleine Veranda legt. Am liebsten würden wir ihn ja rein lassen, aber wir wissen, dass die Bewohner hier nie Hunde in ihr Haus lassen und schon gar nicht wenn es sich um Straßenhunde handelt. Also wird er noch einmal ordentlich gekrault und dann fallen wir zufrieden ins Bett. Am nächsten Tag hat er sich wohl schon in der Früh weg geschlichen und gegen 10:00 Uhr werden wir wieder abgeholt - wir verabschieden uns herzlich von Irina und sind traurig diese Perle Sibiriens verlassen zu müssen. Aber es hilft nichts: unser Russlandvisum läuft in 2 Tagen ab, wir müssen weiter Richtung Mongolei. Langsam wackelt der japanische Minibus über die Schotterpiste zurück zum Rolling Stones Hostel nach Irkutsk. „4 Jahre hält ein Bus diese Torturen aus, dann ist er schrottreif“, lacht unser Fahrer und schnipst dem vorbeirauschenden Schamanenschrein etwas Milch entgegen.