Zu Besuch bei neuen Freunden

Am 23. November schleichen wir uns um 6:00 Uhr morgens leise aus dem Hostel und treten in die Kälte des mongolischen Herbstes. Es ist stockdunkel und so früh sind die Gehwege und Straßen noch menschenleer. Trotzdem schaffen wir es schnell ein Auto anzuhalten, dass uns zum Bahnhof fährt. Mit unseren Rucksäcken auf dem Rücken und den Tickets in der Hand, schlendern wir den Bahnsteig entlang. Es fühlt sich gut an weiter zu reisen und gleichzeitig möchten wir die Mongolei so ungern verlassen. Einen Tag zuvor haben wir uns von Aiden und Ivan verabschiedet und Sumo ein letztes Mal in der Klinik besucht. Sie war so verspielt und aufgeregt, dass wir es kaum erwarten können sie im Januar wieder zu sehen. Unser gesamtes Campingequipment dürfen wir für die Zeit die wir weg sind im Hostel lassen und so sind unsere Rucksäcke etwas leichter und unser Schritt etwas schneller.

Diesmal reisen wir in der zweiten Klasse! Internationale Züge wie die Transmongolische Eisenbahn haben im Unterschied zu den nationalen Zügen nur zwei Preisklassen. Es gibt jedoch auch wie immer eine Sparvariante: zuerst mit dem Zug bis zur chinesischen Grenze fahren, diese dann mit einem Taxi zu überqueren und dann mit dem Nachtbus bis Peking reisen. Diese Möglichkeit ist günstiger als der Transmongolische Expresszug, dafür mit viel Stress und Warterei durch das mehrmalige umsteigen verbunden. Bei den aktuellen Temperaturen ist diese Varianten daher eine Zumutung und kommt daher kaum in Frage. So haben wir plötzlich den ungewohnten Luxus eines Viererabteils, in dem man die Türe schließen und das Handy an einer Steckdose laden kann. Allgemein wirkt der Zug moderner als die bisherigen Züge in Russland. Mehr Platz gibt es hier aber auch nicht und als wir uns auf unsere Sitze fallen lassen hoffen wir nur, dass wir nette Mitreisende zugeteilt bekommen. Die sind in so einem Abteil nämlich durchaus wichtig für das Wohlbefinden während der Fahrt. Wir würden allgemein die dritte Klasse der zweiten Klasse vorziehen. Nicht nur der Preis ist deutlich günstiger, durch den offenen Waggon ist die gefühlte Bewegungsfreiheit größer und außerdem gehört dieser voll gestopfte Waggon für uns mittlerweile zum Reisegefühl der Transsibirischen Eisenbahn dazu. Wir haben Glück mit unseren Sitznschbarn: Fede und Andre aus Italien sind super witzig und haben eine sehr ähnliche Reiseroute wie wir hinter sich (www.tripnroll.net). 

Die Zugfahrt gestaltet sich ähnlich wie die bisherigen: lesen, essen, schlafen, ewig an der Grenze warten, mit Andrea und Federica quatschen, (...) - wir genießen diese langen, langweiligen Zugfahrten, es ist irgendwie immer eine gute Zeit zum runterkommen, entspannen und nichts tun. Außerdem ist der Blick aus dem Zugfenster eine passende Metapher für unsere Reise. Mit 60 km/h ziehen die Landschaften langsam an uns vorüber - Großstadt wird zur Steppe, Steppe wird zur Siedlung und Siedlungen verlaufen sich in schneebedeckten Hügeln und Tälern. Jede Veränderung ist nachvollziehbar und alles scheint miteinander Verbunden zu sein: Von Stuttgart bis nach Beijing.

Definitiv ein Highlight ist, sich im Restaurant der Transmongolischen Eisenbahn ein Bierchen zu gönnen! Dies ist ein Erlebnis für sich, denn hier spürt man noch den Charme dieser legendären Zugreise und man versteht, warum so viele Menschen von einer Fahrt mit der Transsibirischen/Transmongolischen Eisenbahn träumen – die romantisierte Vorstellung eines Eisenbahnenthusiasten flackert hier tatsächlich für kurze Zeit hell auf. Das Restaurant ist völlig anders als in den bisherigen Zügen: goldene Samt-Vorhänge, Holztische mit aufwendigen Schnitzereien und wunderschöne traditionell-mongolische Dekoration an den Wänden und Kunsthandwerk, das direkt von den berühmten Jurtenbauern aus der Westmongolei zu stammen scheint. Wir sind fast alleine im Restaurant und neben uns geht langsam die Sonne über der mongolischen Steppe unter, während der Zug an wilden Pferden und Kamelen vorbeizieht. Ja es war tatsächlich so kitschig und wunderschön wie es sich anhört und wir genießen unser russisches Blondes mit einem großen Grinsen auf dem Gesicht. 

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Nach 26 Stunden Zugfahrt und einer großen Umbauaktion der Achsen eines jeden Wagons (die Spurweite unterscheidet sich in China zu der in Russland und der Mongolei) kommen wir dann endlich in Peking an. Wir haben es bis nach China geschafft ohne zu fliegen! Der Himmel ist blau und die Sonne strahlt uns entgegen. Vom so oft besagten Smog chinesischer Großstädte keine Spur - heute jedenfalls nicht. Nach -25 Grad Celsius  in der Mongolei, fühlen sich -4 Grad angenehm warm an. Wir versuchen uns im Gewusel der Großstadt zu orientieren und finden, nach etwas Verwirrung und durch die Kooperation mit anderen Reisenden, sowohl einen Geldautomaten als auch die U-Bahnhaltestelle. Wir machen uns also auf den Weg, einmal quer durch die Mega-Metropole bis zu einem der äußeren Ringe Pekings in der Nähe des Flughafens. Hier lebt Eric mit seiner Familie. Bevor wir im August aufgebrochen sind, haben wir für ein paar Wochen ein Zimmer in unserer Wohnung über Airbnb vermietet um zusätzlich etwas Geld in die Reisekasse zu spülen. Eric, Anita, Andy und Brian waren die letzen Gäste die wir über Airbnb in Stuttgart empfangen haben und sie haben uns ohne Zögern zu sich nach Peking eingeladen, als sie von unserem Vorhaben erfahren haben! Dieses Angebot können wir natürlich  nicht abschlagen und so stehen wir 1 1/2 Stunden später an der U-Bahnhaltestelle und halten Ausschau nach Eric. Der fährt wenig später mit seinem Auto vor und empfängt uns freudestrahlend. Als wir in Erics Haus ankommen, sind wir dann aber doch etwas überwältigt: das Haus befindet sich in einem Compound und hier sieht es aus, wie in einem amerikanischen Vorort. Das Haus ist groß und hell, mit hohen Wänden und einer schönen Fensterfront die bis zur Decke reicht. Die Haushälterin empfängt uns mit Erics 8 jährigem Sohn Andy (welcher perfekt englisch spricht). Eric zeigt uns das Haus und unser Zimmer. Es ist Freitag Nachmittag, wir bekommen Kaffee (natürlich aus der italienischen Espressomaschine) und Eric organisiert uns gleich mal eine Simkarte. Wenig später kommen auch Anita mit Brian (5 Jahre) nach Hause. Wir verbringen einen entspannten Abend mit super leckerem Essen und netten Gesprächen. So finden wir heraus, dass Eric und Anita letztes Jahr neben der eigenen Werbeagentur,  einen Bike Park (Pump Track) eröffnet haben. Die Kinder gehen jeden Samstag zum Training und da das Business noch am Anfang steht, schlagen wir vor mitzukommen und einen kurzen Werbeclip zu drehen. Gesagt getan, nach einem leckeren Frühstück mit Waffeln und Toast machen wir uns Vormittags mit Eric, Andy und Brian auf den Weg zum Bike Park.

Angekommen, rasen die Beiden gleich los und zeigen uns stolz, wie man den Parkour richtig überwindet. Da es sich um einen Pump Track handelt, muss der Schwung durch Körperkraft und Balance erzeugt werden - in die Pedale wird daher im besten Fall nicht getreten. Es läuft Musik, deren Beat die Auf- und Abbewegung unterstützt, das Wetter ist gut und den Kindern stehen die ganze Zeit Trainer zur Verfügung, die dabei helfen die Technik zu verbessern. Tobi versucht die Stimmung cinematisch einzufangen und ich lasse mir das Konzept erklären: der Park ist nicht öffentlich zugänglich, es bedarf also einer Mitgliedschaft die meist über ein Jahr und in unterschiedlichem Stundenumfang abgeschlossen werden kann. Mit der Mitgliedschaft kann man an Trainings teilnehmen und sich sicher sein, dass die Kinder in guten Händen sind, ihre Technik verbessern und nicht zu viele Menschen gleichzeitig auf der Piste radeln. Es gibt verschieden Altersgruppen. Ich finde den Mini-Bikepark für die Kinder zwischen 2 und 5 Jahren besonders cool: die Kleinen flitzen mit ihren Laufrädern wie Profis über die kleinen Erdhügel! Den Kindern scheint es viel Spaß zu machen, sich über den Parkour zu jagen, aber auch die Eltern sind voll dabei. Wir erfahren, dass es in China gerade das große Ding ist, sein Kleinkind bei Laufrad rennen anzufeuern. Dieser Hype erscheint uns etwas fragwürdig, bei Erics Park liegen die Prioritäten zum Glück aber mehr auf dem Spaß der Kinder. Zum Mittagessen werden wir dann im Restaurant der benachbarten Erdbeerfarm eingeladen. Besonders die in dünne Streifen geschnittenen Kartoffeln überzeugen uns. Nur halb gegart, würde so etwas in Deutschland wahrscheinlich zurück in die Küche gehen - wir haben dieses Gericht noch in keinem chinesischen Restaurant in der Heimat auf der Karte entdeckt. Uns wird erneut deutlich vor Augen geführt, dass das “Menü 6, gebackene Ente ohne scharf” nur noch sehr wenig mit der authentischen Küche Chinas zu tun hat. Und das ist verdammt schade! Wo sind die Steamed Buns mit Essig, der Water Spinach und der Szechuan Pepper in Stuttgarts chinesischen Gaststätten?! Nichts gegen die gemeine Frühlingsrolle, aber die chinesische Küche hat noch so viel mehr zu bieten.

Nachmittags holt uns Anita dann am Bikepark ab. Sie ist leidenschaftliche Hobbyfotografin und möchte mit uns zu einer alten, verlassenen Fabrik fahren um dort die morbide Abendstimmung vergangener Sovietromantik einzufangen. Seit einigen Jahren versucht die Regierung nun schon Pekings Feinstaubbelastung  zu reduzierenden. Letztes Jahr wurden daher endgültig alle Fabriken im Stadtgebiet geschlossen, wodurch sich die Luftwerte spürbar verbessert haben. So finden sich überall im Großraum Pekings leere, zum Verfall bestimmte Fabrikgelände. Für ein Fotografieprojekt ist dies natürlich äußerst reizvoll, versinnbildlichen die maroden Kasernen doch genau die Probleme unserer Zeit. An sich finden wir es natürlich gut, dass die Regierung versucht etwas gegen die Luftverschmutzung zu unternehmen. Vor allem im Januar 2016 war es wohl unerträglich, das Haus zu verlassen. Es wurden bereits Neuzulassungen von Benzin-Rollern verboten und dementsprechend sind fast nur noch Elektro Roller auf den Straßen unterwegs. Leider sehen wir aber auch die negativen Folgen dieses Konzeptes: im ehemaligen Industriegebiet leben die Menschen in trostlosen Plattenbauten und da die Fabriken nun geschlossen sind, herrscht allgemeine Perspektivlosigkeit. Fast alle Anwohner waren Beschäftigte und durch das radikale Schließen dieser Fabriken wurden tausende Menschen von heute auf morgen arbeitslos. Auch ist fraglich, wie nachhaltig der Eingriff in die Wirtschaft tatsächlich ist. Wir vermuten der Standort der schmutzigen Industrie wird einfach verlagert. "Aus den Augen, aus dem Sinn" ist jedoch weit entfernt von einer effektiven Lösung der Umweltverschmutzung. Als wir nach einer knappen Stunde Fahrt ankommen, versperren uns dann drei Wachmänner den Weg und selbst die charmante Anita schafft es nicht diese davon zu überzeugen uns einzulassen. Die Fabrik steht zwar leer, aber rein dürfen wir trotzdem nicht, vor allem nicht mit schwerem Kameraequipment und Drohne. Da wurde Anita wohl falsch informiert. Trotzdem war dieser Einblick in die weniger polierten Randgebiete Beijings sehr interessant und bevor wir uns auf den Rückweg machen, lässt Tobi den Copter aus sicherer Entfernug trotzdem über die alten kommunistischen Gebäude fliegen. Die Sonne geht bereits langsam unter als wir Zuhause ankommen und wie immer erwartet uns ein köstliches Essen. Danach überhäufen uns Anita und Eric mit Tipps und Informationen zu Peking. Wir haben das Gefühl, für diese Stadt alleine einen Monat Erkundungszeit zu brauchen. Wir haben aber nur knapp 2 Wochen Zeit in China und daher müssen wir uns genau überlegen, was wir uns anschauen. Wir nehmen uns also vor, am nächsten Tag zum 798 Art District fahren - ein alter Industriepark wurde hier zu einem Kunstviertel umgestaltet und zieht nun die Hipster der Stadt magisch an. Wir verstehen warum: das 798 Art District ist ein kreatives Konzept mit unszähligen Galerien, kleinen Shops und tollen Cafés und Restaurants. Wir verbringen den ganzen Tag dort und amüsieren uns über die vielen Selfie-Menschen die vor den alten Fabrikmauern und Street-Art Gemälden posieren. Wir empfehlen jedem der nach Peking kommt hier vorbei zu schauen. Was wäre eine Großstadt wie Peking ohne Kunst und Kultur im Hipster Style? Außerdem findet man guten Kaffee und tolle Geschenkideen für die Lieben zuhause und bekommt ein Gefühl dafür, wie das junge China außerhalb der „Klischee-Blase“ in unseren Köpfen, so tickt.

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In den nächsten Tagen in Peking schneidet Tobi das Video für den Bike Park fertig und ich kümmere mich um den Blog. Ich bin fast täglich mit der Tierschutzorganisation in Ulan Bator in Kontakt und recherchiere im Internet nach Wegen um mit Sumo weiter reisen zu können. Der Plan nach Neuseeland zu gehen löst sich langsam in Luft auf, die Einreisebestimmungen sind mit Sumo nicht zu überwinden. Und so schwirren uns viele Ideen, Möglichkeiten und noch mehr unbeantwortete Fragen im Kopf herum. Wir verbringen die Abende mit Eric, Anita und den beiden Jungs. Brian ist etwas schüchtern aber wenn Tobi ihm Geschichten aus deutschen Kinderbüchern vorliest (er besucht einen deutschen Kindergarten) taut selbst er auf. Wir sind unglaublich dankbar Eric und Anita getroffen zu haben. Soviel Gastfreundschaft und Wärme hatten wir nicht erwartet. Irgendwie fühlt es sich so an, als ob wir mit alten Freunden zusammen sind und genauso werden wir auch behandelt. Jeden Abend und Morgen werden wir von der lieben Haushälterin bekocht und wenn wir versuchen abzuwaschen oder irgendwie anders behilflich zu sein wird dies wehement abgelehnt.

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Außerdem besuchen wir die verbotene Stadt. Wir überlegen lange ob wir wirklich zu dieser Touristenattraktion gehen sollen, entscheiden dann aber, dass das eines der Dinge ist die wir einfach sehen müssen. Es lohnt sich! Der Eintritt ist verhältnismäßig günstig (etwa 5 EUR) und wir verbringen den gesamten Tag damit, die riesige verschachtelte Palastanlage zu durchqueren. Zum Glück hält sich der Besucherstrom in Grenzen (ich will mir gar nicht vorstellen wie voll es hier im Sommer ist) und wir haben am Ende noch einen tollen Blick über das Gelände während die Sonne langsam untergeht. Ziemlich durchgefroren begeben wir uns auf die Suche nach einem Restaurant und werden um die Ecke in einer kleinen unscheinbarem Seitenstraße fündig: vegetarisches Essen vom Feinsten!

 

Nach einer Woche beschließen wir übers Wochenende an die chinesische Mauer zu fahren.  Es gibt viele verschiedene Mauerabschnitte die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, einige darunter lassen sich auch in einem Tagesausflug erreichen. Wir wollen uns aber etwas Zeit lassen und einen nicht ganz so bekannten Abschnitt erklimmen. Daher beschließen wir, 2 Nächte bei der Mauer zu übernachten und somit der Familie auch etwas Zeit für sich zu geben. Anita empfiehlt uns, den Mauerabschnitt Simatai. Hier ist die Mauer am steilsten und vom Stil her noch am ursprünglichsten. Außerdem befindet sich hier die Gubei Water Town. Eine Stadt die 2013 von einer Firma im südchinesischen Stil der traditionellen Bauweise errichtet wurde und ein Paradies für Fotografen sein soll. Wir nehmen vormittags den lokalen „Stadtbus“, denn obwohl die Watertown 100 km außerhalb von Peking liegt, gehört sie noch zum Landkreis Peking dazu und so kostet uns die Busfahrt gerade einmal 3€. Eric erklärt uns noch beim Frühstück, dass wir unbedingt dem Bus zuwinken müssen damit dieser anhält und daher sehr aufmerksam auf die Busnummern schauen sollen. Tatsächlich fährt der erste Bus ohne nur etwas lngsamer zu werden an uns vorbei. Wir haben den Bus zu spät entdeckt und der Busfahrer hat mein verzweifeltes Winken nicht mehr gesehen und so müssen wir eine weitere Stunde auf den nächsten Bus warten. Einmal umsteigen und 5 Fahrt Stunden später kommen wir dann in Watertown an. Es ist bereits halb 5 und die Sonne steht wunderbar tief über dem malerischen Städtchen. Hier sieht es aus wie in einem asiatischen Europapark! 

Am liebsten wollen wir gleich auf Erkundungstour gehen und das Licht für Fotos nutzen, aber wir entscheiden uns erstmal unser Hotel aufzusuchen. Doch auch nach einem wirren Hin und Her durch die malerischen Gässchen des falschen Dörfchens stellen wir fest, dass uns die falsche Adresse genannt wurde und unser Hotel im Nachbardorf, eine Bushaltestelle vor Watertown entfernt liegt. Nach einer halben Stunde Fußweg und einem Telefongespräch mit einem englisch sprechenden Freund der hiesigen Gastfamilie, finden wir endlich unser kleines nettes Hotel. Die Familie ist unglaublich sympathisch und wir sind scheinbar die einzigen Gäste. Da die Sonne nun mittlerweile fast verschwunden ist, entschließen wir uns nicht mehr zur Watertown zurück zu laufen und in dem Familienrestaurant unseres Hotels zu essen. Eine wunderbare Entscheidung: das Essen könnte nicht besser sein, es ist sehr preiswert und wir lassen uns ein üppiges Abendessen, Jasmintee und ein großes kaltes Bier bringen! 

Am nächsten Tag wollen wir dann die gesamte Watertown erkunden, allerdings müssen wir feststellen: es handelt sich wohl um eine Art Holiday Resort und der Eintritt ist mit über 20€ pro Person doch ziemlich heftig. Wir überlegen hin und her, entscheiden uns dann aber gegen die Tourist Trap, uns ist der Eintritt für eine (zugegebenermaßen sehr liebevoll und detailgetreu nachgebaute) hübsche Stadt mit überteuerten Restaurants und Spa-Anlagen nicht Wert. Stattdessen verbringen wir fast 2 Stunden damit, die kleinen Straßen vor dem großen Haupteingang zu erkunden. Da die meisten Besucher direkt zum Eingang rennen, sind die kleinen Gassen fast Menschenleer und die Gebäude dennoch wunderschön. Es sind nicht einfach Fasaden aufgestellt worden. Echte traditionelle Steinhäuser wechseln sich ab mit kleinen Innenhöfen und die großen Trittsteine der gepflasterten Gassen sehen aus, als ob sie schon ewig hier lägen. Ein hölzerner Tempelturm ragt neben der aus hellem Sandstein gefertigten Rundbogenbrücke über den vereisten Fluß. Alles ist ruhig, der Nebensaison sei Dank und wir erliegen dem falschen Charme dieser touristischen Zeitmaschine.

Nach unserer Fotosession nehmen wir den Shuttlebus zum Beginn des Wanderweges zur chinesischen Mauer. Da sich dieser hinter der Watertown befindet, können wir dort nicht einfach hinlaufen (dafür benötigt man ein Eintrittsticket) aber der kostenlose Shuttleservice ist im Eintritt zur Mauer inklusive (4€).

Und da der Bus die Watertown durchquert, können wir den historischen Vergnügungspark doch noch von innen betrachten. Am Berghang zur Mauer angekommen, können wir zwischen der Gondel (weitere 9€) und einem gemütlichen Wanderweg wählen. Wir entscheiden uns natürlich für den Wanderweg - er ist schön gestaltet und bietet tolle Aussichten auf die umliegende Umgebung. Nach ca. 45 Minuten erreichen wir den ersten Wachturm und die chinesische Mauer erstreckt sich bis zum Horizont wie eine unendliche steinerne Schlange, die gemächlich über die imposanten Berghänge kriecht. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl! Der Himmel ist diesig vom Smog aus Peking, dies gibt der ganzen Szenerie eine eigenartig mystische Atmosphäre.

Bevor wir aber die ganze Pracht bewundern können, müssen wir jedoch Tausende von unebenen steilen Stufen erklimmen. Das Herz schlägt schneller und der Atem wird schwerer als wir am dritten Wachturm ankommen. So entschließen wir uns, unser mitgebrachtes Picknick auszupacken: Nüsse, Brot und Bier! Ich habe heute Morgen meine Note für meine Masterarbeit bekommen und die Nachmittagssonne steht tief über der Mauer - wenn das kein Grund zum anstoßen ist? Ein Bierchen auf der chinesischen Mauer trinken ist definitiv einer der besten Momente auf unserer bisherigen Reise!

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Leider fährt der letzte Shuttlebus bereits um 16:30 Uhr und wenn wir nicht doch noch Eintritt für die Watertown bezahlen wollen, müssen wir uns schon bald wieder auf den Rückweg machen. Tobi lässt vorher aber noch schnell die Drohne steigen. Als diese sich in die Luft erhebt, hören wir plötzlich aufgeregtes Schreien von weiter unten - meinen die uns? Äh, ja bestimmt. Egal, dumm stellen wenn jemand fragt und bis dahin soviel Filmmaterial wie möglich sammeln! 3 Minuten später steht ein nervöser Wachmann vor un und gibt uns zu verstehen, dass Drohnenflüge strickt verboten sind. Tja.. Die Drohne wird also zurück gerufen und wir rechnen bereits mit dem schlimmsten: Personalien abgeben? Strafe zahlen? Unsere Bilder löschen? Wir müssen unsere Tickets vorzeigen. Sie werden abgescannt, das grüne Licht und der Piepton scheint zu bedeuten, das hier alles in Ordnung ist.  Als die Drohne vor dem Wachmann landet grinst er uns an. "Do we have to delete the pictures?", fragen wir. "No no, it's ok.", meint er zwinkernd und verabschiedet sich. Glück gehabt. 

Ein Blick auf die Uhr verrät uns, dass wir bereits relativ spät dran sind um den Bus noch zu erreichen und wir trinken schnell unser Bierchen aus und spurten los. eider bremsen uns die schmalen schrägen Treppenstufen ziemlich aus und so so müssen wir beim letzen Abschnitt des Wanderweges einen kleinen Sprint hinlegen. Um 16:28 Uhr kommen wir am Parkplatz an, der Busfahrer erkennt uns und streckt uns mit amüsierter Miene den Daumen entgegen. Es war ein wunderbarer Tag und dieser wird durch ein leckeres Abendessen und ein paar Bier mehr abgerundet. 

Am nächsten Tag verabschieden wir uns von den netten Mitarbeitern des Familienhotels und nehmen den Express Bus zurück nach Peking. Diesen hätten allerdings ohne die Hilfe des Hotelbesitzers auch fast verpasst! Ein weiteres Mal springen wir als letzte Passagiere in den Bus und haben Glück ,noch die letzten 2 Plätze nebeneinander zu ergattern. In Peking angekommen, verbringen wir den Rest des Tages noch in Downtown und erkunden die charmanten Hutongs (kleine Nachbarschaften aus aneinandergemörtelten Häuschen, verbunden durch ein verwirrendes Netz aus schmalen, aber gemütlichen Gässchen), die wie kleine Oasen der Stille die sonst so hektisch laute Stadt durchziehen.

Abends werden wir von Eric und Anita freudestrahlend empfangen und mit allerlei Köstlichkeiten verwöhnt. Wir wollen Anita noch ein paar Fotos der letzen Tage zeigen. Als ich mein Handy hole, lese ich die schreckliche Nachricht von Sumos Tod. Die Nachricht trifft uns unglaublich hart und wir entschuldigen uns für den Rest des Abends. So sind dann die letzen Tage in China von Trauer getrübt und wir haben keine große Motivation viel zu unternehmen oder weiter zu planen. Mit einer SMS wurde unsere Reiseplanung auf ein Neues durcheinandergeworfen und wir wissen nicht wo uns der Kopf steht..

Wir verlassen Eric und Anita am 5. Dezember und machen uns auf den Weg nach Qindao: von hier geht unsere Fähre nach Südkorea.

Danke Anita, Eric, Andy und Brian für eure Offenheit, Herzlichkeit und vorbildliche Gastfreundschaft - Ihr seid immer Willkommen bei uns!

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