Der erste Schritt..
Erst mal los stolpern und dann mal sehen
Es geht los. Einmal quer durch Deutschland. Die Landschaft verändert sich. Es wird flacher und auch schon etwas frischer. Wir genießen die Aussicht aus dem Zug. Der ICE ist wie immer zum Brechen voll, zum Glück finden wir dennoch zwei Plätze. So richtig realisieren wir noch nicht, dass es nun wirklich los geht. Die Welt aufs Neue erfahren - ganz bewusst mit allen Sinnen spüren. Ein Reise mit unklarer Route, einem Ziel für das wir ein Jahr Zeit haben um es zu erreichen. Wo wir in 2 Monaten sind wissen wir noch nicht, die Reise unseres Lebens beginnt jedoch genau hier...
Nach 8 Stunden erreichen wir Kiel - so weit nördlich in Deutschland waren wir beide noch nie. Es fühlt sich gut an. Frische Luft füllt unser Lungen, als wir vor dem Bahnhof stehen und die Schiffe beobachten. Malaika, eine Freundin die Anna noch aus Trier kennt, empfängt uns und wir dürfen die nächsten 2 Nächte bei ihr übernachten. Sie erzählt uns auf dem Weg zu ihrer WG so begeistert von Kiel, dass wir garnicht anders können als die Stadt zu mögen. Bei einer leckeren Suppe und Wein lassen wir den ersten Abend der Reise auf dem Balkon ausklingen. So kann es weiter gehen.
Da Toby noch einen Job fertig machen muss, gehen Malaika und ich alleine auf Erkundungstour. Wir fahren mit dem Schiff auf eine kleine Insel bei Kiel und laufen am Strand entlang. Es tut gut den Sand unter den Füßen - und den salzigen Wind im Gesicht, zu spüren. Hier oben wirkt Deutschland ganz anders als ich es von zu Hause kenne. Ich freue mich jetzt schon auf den Norden.
Weiter geht es von Kiel über Flensburg (mit einem kleinen Abstecher in das ländliche Schleswig-Holstein) nach Dänemark. Wir überqueren die Grenze mit dem Bus. Da es bereits früher Abend ist, versuchen wir zu einem "Frie teltningsområde" zu trampen. Das sind ausgeschriebene Campingplätze in der Natur auf denen man legal und umsonst zelten darf. Anders als in Schweden und Norwegen, gilt in Dänemark nicht das Jedermannsrecht. Zum Glück gibt es die "Frie teltningsområder" überall im Land und es ist nicht schwer einen in der Nähe zu finden. Da scheinbar niemand in die Richtung des nächsten Campingplatzes fahren will, entschließen wir uns schließlich für den Bus. Der Fahrer macht einen extra Stop für uns und erklärt uns den Weg zum Zeltplatz. Mit unserem Gepäck und dem gefüllten Wasserkanister kommt uns der 1,5 km lange Weg ewig vor und wir kommen verschwitzt im Wald an. Es ist wunderschön und wir bauen freudig unser Zelt auf. Endlich fühlen wir, dass wir unterwegs sind. Während wir schon kochen, trudeln weitere Camper ein. Wir verbringen den Abend mit unseren netten Zeltnachbarn am Feuer und bekommen sogar einen Cocktail und Bier ausgeschenkt.
Am nächsten Tag wollen wir aber endlich trampen. Nach 2 Stunden an der Hauptstraße kurz hinter der Grenze, nimmt uns ein netter Syrer der seit 7 Jahren in Dänemark lebt mit. Er will uns bis nach Kolding fahren - super hier soll es einen tollen "Frie teltningsområder" direkt am Fjord geben. Als wir ihm davon erzählen, entschließt er sich spontan uns bis zum Zeltplatz zu fahren. Das ist am Ende sicherlich ein Umweg von 45-60 Minuten für ihn. Weil wir uns ziemlich verfahren, lässt er uns auf einem Feldweg raus. Irgendwie haben wir den Parkplatz zum Zeltplatz verpasst und sind nun bei einem unbewohnten Ferienhaus auf de anderen Seite des Waldes gelandet. Egal, die Aussicht ist super und wir können unseren Wasserkanister am Haushahn auffüllen. Querfeldein schlagen wir uns Richtung Wald durch. Unser Gepäck wird mit jedem Schritt schwerer, dafür wird die Umgebung immer schöner. Der zweite Zeltplatz ist noch besser als der erste - mit Blick auf den Fjord und einem kleinen Strand an dem ich am nächsten Tag erstmal baden gehe. Wieder haben wir nette Nachbarn - Matti und Chris aus Deutschland. Sie versuchen 2 Wochen ganz ohne Geld durch Skandinavien zu reisen (die ersten 4 Tage hat das wohl ganz gut funktioniert).
Die Strecke von Kolding bis Kopenhagen ist ein Tramperparadies. Wir werden nach höchstens 5-10 Minuten Wartezeit mitgenommen und alle sind total sympathisch. Als wir uns in einer Tankstelle einen Kaffee mit Muffins gönnen und unsere Handys an der Steckdose aufladen, werden wir von Kåre angesprochen. Er fragt ob wir trampen und wo wir hin wollen. "In Richtung Kopenhagen und dann weiter nach Schweden" erklären wir. "Okay, ich fahre nach Kopenhagen, wollt ihr mit?". Eine Mitfahrgelegenheit ohne zu trampen und das über mehr als 200 Kilometer, wir können unser Glück kaum fassen. Natürlich nehmen wir das Angebot an und finden schnell heraus, dass Kåre ein super Typ ist. Wir haben viele gemeinsame Interessen und es entstehen unterhaltsame Gespräche. Als wir schließlich nach Kopenhagen einfahren bietet Kåre uns an, unser Zelt in seinem Garten aufzubauen - seine Frau weiß noch nichts von ihrem Glück aber "it will be fine!". So lernen wir Kåres wunderbare Familie kennen und sind überwältigt von ihrer Gastfreundlichkeit. Wir dürfen ihre Fahrräder benutzen um die Stadt zu erkunden und bekommen einen Schlüssel um zum Badezimmer zu kommen. Die Kinder sind ganz begeistert von unserem Zelt und so bekommen sie eine kurze Roomtour. Wir verbringen den Abend in Kopenhagen. Die Stadt ist unglaublich schön und wir erkunden die Food-Hall am Hafen bei super Essen und toller Stimmung mit Blick auf den Hafen - ein Tipp von Kåre. Am nächsten Morgen finden wir einen Zettel in de Küche:
Wie toll dass es solche offenen, großzügigen und tollen Menschen gibt! Wir genießen unser Frühstück und die Dusche und sind glücklich Kåre, Berit, Ellen und Robert getroffen zu haben: DANKE!