Hurtigruten für Backpacker - Unterwegs mit der MS Polarlys

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WE'RE ON A BOAT!

Auf der Suche nach einer guten Möglichkeit von Bergen nach Trondheim zu kommen stoßen wir im Internet immer wieder auf zwei Aussagen: Fliegen oder die Fähre nehmen.

Fliegen wollen wir nicht und die Fähre bedeutet eine Kreuzfahrt mit den Hurtigruten, der ehemaligen Postschiffstrecke. Es soll total schön sein. Beim ersten Blick auf die Homepage wird uns klar: das ist zu teuer! Also recherchieren wir weiter. Es gibt einen Nachtbus von Bergen nach Trondheim. Aber damit verpassen wir die ganze traumhafte Landschaft. Zudem sind uns die 85 Euro pro Person für eine unbequeme Busfahrt eigentlich zu schade. Also doch den Zug nehmen? Das würde bedeuten, dass wir wieder zurück nach Oslo fahren müssen. Da wir mal wieder relativ spontan dran sind mit den Buchungen, finden wir auch keinen Minipreis mehr. In einem Forum lese ich, dass man die Hurtigruten auch ohne Kabine buchen kann, solange die Fahrt unter 24 Stunden dauert. Moment, haben wir hier ein Schlupfloch im System entdeckt?

Von Bergen nach Trondheim sind es fast 2 Tage Fahrt und es ist daher eigentlich verpflichtend, eine Kabine buchen. Die Teilstreckenpreise sind aber tatsächlich vertretbar, deshalb kaufen wir einfach zwei Teilstrecken-Tickets auf dem gleichen Schiff. Das ist definitiv nicht so vorgesehen, sollte aber dennoch funktionieren. Zwar müssen wir ohne Kabine die 2 Nächte irgendwo auf Deck verbringen, aber dank unserer Schlafsäcken sollte das wohl kein Problem sein. Auf diese Weise ist die Kreuzfahrt nur minimal teurer als der Bus und sogar günstiger als der Zug. Und die Landschaft der norwegischen Fjorde sollte den geringen Mehrpreis doch rechtfertigen - ein echte Schnapper also!

Am nächsten Tag machen wir uns also hochmotiviert auf den Weg zum Hafen. Wir wandern sogar die 6 Kilometer (mit komplettem Gepäck) den Fløyen hinab und kommen vom Regen durchnässt aber mehr als zufrieden am Schiff an. Nach der Sicherheitseinweisung dürfen wir an Bord. Unser erstes Ticket geht bis Maloy, der Halt ist um 4 Uhr morgens. Wir müssen also um 4 Uhr nochmal zur Rezeption um unsere zweite Boardkarte zu erhalten. Es gibt einen Gepäckraum in dem wir unsere Rucksäcke ablegen dürfen und dann geht es auf Erkundungstour.

Was uns als erstes auffällt: die Passagiere bestehen zu 90% aus Deutschen und der Altersdurchschnitt liegt wohl weit übe 60 Jahren. Eine Kreuzfahrt, wie man sie in der Apothekenrundschau gewinnen könnte. Ansonsten: das Schiff ist super cool.

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Wir machen es uns erstmal in der Lounge gemütlich und öffnen endlich unsere zwei Reise-Weingläser die wir von Luisa bekommen haben. Als Bergen langsam an uns vorbeizieht stoßen wir an: Nice! Wir verbringen den Abend in der Lounge und öffnen unser Bier welches wir in Weiser Voraussicht kurz vor Abfahrt im Supermarkt besorgt haben. Eigentlich gibt es hier ja eine ziemlich schicke Bar in der "Panoramalounge", aber die Preise beginnen alle erst im zweistelligen Bereich für ein Gläschen. Norwegen halt. Ob es okay ist, dass wir hier unsere eigenen Getränke aus Alubechern trinken? Keine Ahnung, die Leute um uns herum scheint es jedenfalls nicht zu stören. Auch der Kellner identifiziert uns zielsicher als Backpacker und fragt uns erst gar nicht, ob wir etwas bestellen möchten. Als wir nach Stunden ganz alleine in der Lounge sitzen und unsere Augen immer schwerer werden, begeben wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz.

Auf dem Außendeck gibt es einen überdachten Bereich mit Loungemöbeln, hier machen wir es uns bequem. Tobi holt um 4 Uhr unsere neuen Tickets an der Rezeption ab und gegen 7:30 Uhr schleichen die ersten Passagiere an uns vorbei um noch vor dem Frühstück auf Deck die Aussicht zu genießen. Wir geben wohl ein seltsames Bild für die restlichen Passagiere ab. Liegen mit unseren Schlafsäcken und einem Klamottenhaufen neben uns auf dem bepolsterten Kunststoff-Rattan. Einfach wie immer die wohlerprobte Non­cha­lance zeigen. Trotzdem wollen wir nicht zu viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen und packen unsere Schlafsäcke zusammen. Wir sind wohl scheinbar die Einzigen die die Fahrt ohne Kabine machen. Nach unserem Frühstück macht das Schiff einen kurzen Halt in Ålesund. Wir gehen mit einer Reisegruppe deutscher Touristen von Board - es ist Sonntag Vormittag und außer uns und den anderen Passagieren ist niemand im Städtchen unterwegs. Als wir wieder an Board gehen entschließen wir uns eine Runde in den Fitnessraum zu gehen - man muss schließlich alles mitnehmen was geht! Der Raum ist klein aber die Aussicht mal wieder spektakulär. Wir fahren immer weiter in den Fjord ein, während wir auf dem Laufband joggen und auf dem Fahrrad strampeln. Irgendwie ein komisches Gefühl, noch vor kurzem zelteten wir in der Wildnis und standen mit erhobenem Daumen an den Straßen. Jetzt geben wir uns das kompette Kreuzfahrtprogramm. Die Annehmlichkeiten sind wie ein Kurzurlaub vom Budget Traveling für uns. Nach den 40 Minuten Sport suchen wir eine Dusche - gar nicht so einfach ohne Kabine. Aber wir werden fündig: in der Sauna die scheinbar von niemandem genutzt wird, können wir duschen. Es gibt sogar Conditioner in der Dusche: Jackpot! Das Schiff hat mittlerweile mitten im Fjord angelegt. Einige der Passagiere machen einen organisierten Ausflug. Alle andere können mit einem kleinen Boot an Land gebracht werden und die Gegend erkunden. Auch wir wollen den Fjord mit dem Schiff von Land bewundern und lassen die Drohne vom kleinen Bootssteg steigen. Den Rest des Tages verbringen wir mit etwas Arbeit am Blog und den Fotos. An diesen Arbeitsplatz könnte man sich gewöhnen.

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Pünktlich zum Sonnenuntergang springen wir noch schnell in den Jacuzzi der sich ganz am Ende des Schiffes befindet: auch dieser ist den ganzen Tag leer und wir haben das warme Wasser ganz für uns alleine. Der Himmel färbt sich in den schönsten Rosa und Pink Tönen und wir tuckern langsam in dem warmen Wasser an kleinen Inseln und steilen Hängen vorbei. Es ist ein perfekter Moment. Nach 20 Minuten Badespaß kommt ein Mitarbeiter vorbei: der Jacuzzi muss gereinigt werden und wir müssen leider raus. Schade! Naja, wir haben sowieso hunger und lassen uns unsere Brote schmecken bevor wir den Abend wieder in der Lounge bei Bier im Alubecher ausklingen lassen, während die Landschaft langsam an uns vorbei zieht. Am nächsten Morgen kommen wir in Trondheim an. Wir verlassen die MS Polarlys und sind froh dass wir auch diese Art des Reisens kennenlernen durften. Trotzdem freuen wir uns schon wieder auf unser Zelt und die kommenden Kilometer Richtung Norden.

 

Unser Fazit der Cruise Tour (WE’RE ON A BOAT!):

https://www.youtube.com/watch?v=R7yfISlGLNU