Shanghai - unser House Sit in der reichsten Stadt Chinas
Bei strahlendem Sonnenschein, aber versmogtem Himmel schiebt sich die Fähre langsam den Huangpu Fluss entlang. Immer tiefer dringt das langsam in die Jahre gekommene Passagierschiff in die mächtigen Hochhausschluchten der Innenstadt von Shanghai ein.
Die letzten zwei Tage haben wir auf hoher See verbracht. Schiffe sind einfach eines unserer liebsten Fortbewegungsmittel - die Fähren sind meist gut in Schuss, jedoch ist an einer gewissen Patina leicht zu erkennen, dass die Seefahrt längst vom Flugverkehr abgelöst wurde (abgesehen natürlich vom weltweiten Phänomen der überdimensionierten Kreuzfahrtschiffe). Hier und da eine rostige Schraube; sauberes aber veraltetes Kabinen-Interieur; die Crew gekleidet in makelloser marineblauen Uniformen inklusive militärisch exakter Bügelfalte, aber mit einem Schnitt, der noch aus den späten 80ern stammen könnte. Genau dieser Charme trägt ungemein zum entschleunigten Reisegefühl bei. Für unsere Mitreisenden spielt das aber eher eine untergeordnete Rolle. Viele haben Flugangst, oder haben einfach so viel Gepäck dabei, dass der Flug viel zu teuer geworden wäre. Shopping in Japan scheint in China ziemlich hipp zu sein. Wir sehen einzelne Personen mit 5-6 prall gefüllten Rollkoffern und Waren in Originalverpackung, wie Kaffeemaschinen, Massage-Nackenkissen oder Spielzeug für die kleinen Zuhause. Trotzdem ist sehr wenig los auf den Gängen und in den Gemeinschaftsbereichen, denn die meisten Menschen ziehen das Flugzeug einer zweitägigen Reise mit der Fähre definitiv vor.
Gut für uns, denn somit hatten wir unsere Holzklasse-Kabine für 8 Personen ganz für uns alleine und dadurch unglaublich viel Platz um unsere Rucksäcke ohne schlechtes Gewissen explodieren zu lassen. Im Nachhinein fragen wir uns jedoch, ob wir hier eine Sonderbehandlung bekommen haben. Hier gleich mehr zum Westlerbonus in Asien.
Auf der ersten Erkundungstour finden wir Badezimmer (mit Waschmaschinen!) und Gemeinschaftsduschen, die aussehen als ob sie seit der Jungfernfahrt anno 1950 nicht mehr renoviert worden sind. Nach 2 Wochen Wohnmobil ohne Dusche (die tägliche Katzenwäsche hilft ja doch eher dem Gewissen als der Körperhygiene) ist es aber auch egal wie die Badezimmer aussehen: wir sind endlich wieder fresh! So schwer es uns fiel Japan Lebewohl zu sagen, es ist ein tolles Gefühl zurück nach China zu kommen. So viel gibt es noch zu sehen und das hervorragende Wetter in Shanghai lässt uns den japanischen Winter schlagartig vergessen! Als wir nach einer sehr entspannten Schifffahrt endlich am Festland anlegen, versammeln sich wie gewohnt alle Passagiere mit geschulterten Rucksäcken ungeduldig in der Lobby um als erster von Bord zu sprinten. Wer in Stuttgart (oder jeder anderen Großstadt in Deutschland) mit der S-Bahn fährt, kennt das Phänomen: Jeder will als Erster ein- bzw. aussteigen und einen Sitzplatz oder ein Taxi ergattern, bzw. wie hier durch die Gepäckkontrolle. Eine sehr passende Metapher für unsere immer egozentrischer werdenden Gesellschaftsstrukturen. Wir entziehen uns diesem Spiel eigentlich recht gerne und lassen jedem der es so unglaublich eilig hat gerne den Vorzug. Da haben wir uns hier aber mächtig getäuscht: Natürlich fallen wir als einzige europäische Touristen an Board auf wie bunte Hunde und bekommen einen Sonderstatus aufgezwungen, der uns höchst unangenehm ist: Wir sitzen ganz hinten auf einer Bank, die Rucksäcke auf dem Boden, als das rote Band ausgehakt und damit der Korridor nach draußen frei gegeben wird. Die Menge setzt sich schon in Bewegung als uns eine Stewardess mit einem Anflug von Panik und weit aufgerissenen Augen ganz hinten in der Schlange erspäht. Mit aufgeregtem Rufen wird dem Herrn an der Samtschnur zu verstehen gegeben, dass niemand vor den Herrschaften aus dem fernen Westen dieses Schiff verlassen darf. Mit übertriebener Höflichkeit werden wir gebeten uns an den Anfang der Schlange zu begeben. Trotz Abwinken und freundlichem „that’s not necessary“ wird niemand rausgelassen und wir sehen uns gezwungen mitzuspielen. Während wir also peinlich berührt versuchen, so schnell wie möglich unsere Rucksäcke zu Schultern und nach vorne zu gelangen müssen alle anderen warten, als ob sich der Pabst höchst persönlich anschickt, die rote Samtschnur zu durchschneiden. Die meisten Mitreisenden nehmen die Sonderbehandlung als völlig normal hin, machen Platz und lächeln uns zu. Den ein oder anderen mürrischen Blick in unsere Richtung kann ich aber sehr gut nachvollziehen. Wir wackeln voll bepackt die enge Treppe zum Pier hinunter, hinter uns die restlichen Passagiere. „The Pope has left the building!“ Am Ende sitzen wir dann doch im gleichen Shuttle-Bus wie alle anderen auch, und bei der Immigration gibts auch keine Extrawurst mehr. Auf diese Priorisierung auf Grund unserer Herkunft hätten wir allzugern verzichtet, trotzdem macht uns diese Situation erneut auf unsere Privilegien als weiße Europäer aufmerksam, ob nun gewollt oder nicht. Gerade wir als (nicht mehr ganz) jüngere Generation sollten sich dieser Ungerechtigkeiten bewusst sein und dagegensteuern, so oft es geht. Racial Profiling nennt man so etwas im Englischen und sollte eigentlich schon längst ausgestorben sein - ob nun angewandt auf syrische Flüchtlinge, oder privilegierten Reisenden aus Deutschland.
Nach einer halben Stunde stehen wir dann endlich mit unseren Rucksäcken auf den Straßen Shanghais. Es ist früher Vormittag, als wir aus dem Hafen treten und die East Daming Road ist wie leer gefegt. Auch dies hätten wir vor unserer Reise sicherlich nicht mit China, und schon gar nicht mit der Mega-Metropole Shanghai verbunden. Es ist erstaunlich ruhig und wenig los. Gleich um die Ecke unserer Anlegestelle beginnt bereits die Innenstadt. Nach wenigen Minuten Fußweg erreichen wir die touristisch attraktive Uferpromenade „the Bund“, welche von ehrwürdigen europäischen Kolonialbauten gesäumt ist und eine fantastische Aussicht auf das Bankenviertel und die bekannteste Skyline der Metropole bietet. Ja, besser hätte uns Shanghai wirklich nicht empfangen können und wir beschließen bis zum Hostel zu laufen: schließlich haben wir uns in den letzen 28 Stunden kaum bewegt und zudem sind wir vom frühlingshaften Klima ganz beflügelt. Auf dem Weg zum ersten Hostel geht es zunächst am Fluss entlang, dann durch riesige Touristenmassen vorbei am schönen Yu Garden (die Festivitäten zum chinesischen Neujahr sind in vollem Gange) und kurz darauf befinden wir uns in einem traditionellen Wohngebiet mit schmalen, verwinkelten Gassen wo weit und breit kein Tourist zu sehen ist. Wir lieben die chinesischen Nachbarschaften in mitten des Großstadtdschungels: die kleinen Häuser sind krumm und schief gebaut, Wäsche wird an den Stromleitungen getrocknet und überall sitzen hiesige Senioren zusammen vor den Haustüren und genießen die Sonne während sie die vorbeiziehenden Menschen beobachten, plaudern oder Karten spielen. Immer wieder laufen Straßenhunde und -katzen über den Weg und versuchen beim nächsten Laden ein paar Küchenabfälle zu erbetteln. Unser Hostel liegt mittendrin in so einer Nachbarschaft. Nebenan wird frisch gebackenes Fladenbrot, gefüllt mit Kräutern, Gemüse oder Fisch für ein paar Cent verkauft und egal wann wir an dem kleinen Laden vorbei gehen, jedes Mal finden wir eine lange Schlange Einheimischer vor, die geduldig warten um wenn sie dann an der Reihe sind gleich ein dutzend der Brote zu erstehen. Für einen Reisenden immer in eindeutiges Zeichen für gute Produkte, also stellen wir uns mit an und sind dann überrascht von der chinesisch-muslimischen Spezialität. Das mit Frühlingszwiebeln gefüllte Brot ist wohl eine chinesische Neujahrsleckerei und ein wunderbares Beispiel, wie sich zwei sehr verschiedene Kulturen ergänzen können!
Leider stellen wir schnell fest, dass unser Hostel ein Problem mit den Wasserleitungen hat: als wir am nächsten Tag aufwachen sind mein Rucksack und meine Schuhe nass. Es tropft aus der Wand und dies scheint ein bekanntes Problem beim Personal zu sein. Das Mädel an der Rezeption ist super lieb, aber auch mittelmäßig verplant und nach einigem Hin und Her bekommen wir ein neues, minimal trockeneres Zimmer. Halb so wild, schließlich ziehen wir morgen in ein sauberes, großes Apartment mitten im Stadtzentrum um und passen dort mal wieder auf ein Hündchen auf: besser kann es fast nicht gehen, oder? Wir lieben es einfach als Housesitter zu arbeiten!
Shanghai überzeugt uns von Anfang an. Die Stadt hat einen coolen, weltlichen Vibe und durch die allgegenwärtigen Vorbereitungen auf das chinesische Neujahr, das bedeutendste Fest des Landes, sind alle in Festtagsstimmung. Überall werden traditionelle Feiertagsspeisen feil geboten und im Supermarkt um die Ecke reichen die Schlangen von der Kasse bis in die Tiefkühlabteilung. Da fühlt man sich gleich an Weihnachten in Deutschland zurückversetzt. Kurz vor der Besinnung aufs Wesentliche bäumt sich die Hektik der Konsumgesellschaft noch ein letztes Mal im Jahr auf. In wenigen Tagen beginnen hier die offiziellen Ferien und die meisten Stadtbewohner fahren dann zu ihren Verwandten aufs Land. Umso besser für uns: nach ein paar Tagen Trubel ist das City Center wie leer gefegt und der stressige Großstadtwahnsinn ebbt ab. Die Straßen, Tempel und Häuser der Zuhausegebliebenen sind mit roten Lampions geschmückt und viele Geschäfte haben über die Feiertage geschlossen. Auch wenn das chinesische Neujahr vom Stellenwert her am Besten mit Weihnachten in Deutschland verglichen werden kann, gibt es natürlich einige Unterschiede. Jedes neue Jahr steht im Zeichen eines anderen Tieres und 2018 ist das Jahr des Hundes.
Wie passend, dass wir diese Zeit mit Ruby, einem kleinen Pekinesen Mix einleiten. Die kleine Hundedame hat sich bereits nach wenigen Stunden an uns gewöhnt! Ruby wurde erst ein halbes Jahr zuvor von Annie und Robert (amerikanische Expats) hier in Shanghai adoptiert und hat sich bereits voll und ganz mit dem High-Rise-Haustierleben angefreundet. Sie liebt es auf der Couch zu schlafen, Trockenfutter heimlich aus dem Napf zu tragen und im hochflorigen Wohnzimmerteppich „zu vergraben“, doch am liebsten geht sie mit uns Gassi. Wenn wir die Leine hervorholen springt sie aufgeregt los, fängt hysterisch an zu niesen und kann vor Freude kaum still halten. Stolz spaziert sie durch die Gassen, als ob sie jedem zeigen will, dass sie nun Besitzer hat. Ruby war bis vor kurzem nämlich noch ein halber Straßenhund: sie hat sich mit einem gutmütigen Wachmann eines großen Gebäudekomplexes angefreundet, der ihr ab und an Futter und einen Schlafplatz in seinem kleinen Wachhäuschen zur Verfügung gestellt hatte. Als dieser dann seinen Job wechselte, stand die kleine Ruby wieder alleine da und hatte Glück, dass Annie und Robert nach Shanghai gezogen sind und sie aufgenommen haben. Ich kann mir Ruby jedoch schwer als Straßenhund vorstellen: so selbstbewusst sie an der Leine voranschreitet, sobald wir anhalten, am Geldautomaten etwas abheben oder beim Gemüsestand um die Ecke etwas einkaufen wollen, blockiert sie total und will so schnell wie möglich weg. Vor den meisten Menschen hat sie Respekt, aber vor allem vor Ladenbesitzern scheint sie sich zu fürchten. Besonders lieben wir es, mit Ruby durch ein Hutong (einem traditionellen chinesischen Wohnviertel) welches sich angrenzend an unserem Hochhauskomplex befindet zu schlendern. Das liegt vor allem daran, dass wir direkt in der Innenstadt wohnen und um uns herum eigentlich nur Einkaufszentren und Shoppingmeilen liegen. Blicken wir aus dem Fenster im Flur, können wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite weit unter uns den größten Starbucks der Welt bestaunen und obwohl Feiertage sind und die Stadt um einiges leerer ist als gewöhnlich, stehen jeden Tag hunderte Menschen in einer gewundenen Schlange, wie man sie aus Vergnügungsparks kennt. Und das alles um einen Kaffee zu trinken, den es genauso im Starbucks um die Ecke gibt (ja, auf der anderen Straßenseite steht schon der nächste Starbucks der immer so gut wie leer ist). Überhaupt lieben die Shanghaier ihre Starbucks: ich glaube wir haben noch nie eine so hohe Konzentration der weltweit vertretenen Kaffee-Kette erlebt. Tatsächlich erkläre der CEO von Starbucks in einem Interview 2017, dass alle 15 Stunden ein neuer Starbucks in China eröffnet würde! Ist das nicht Wahnsinn? Naja, wir schauen uns diesen Hype eher amüsiert von unserem Fenster aus an, während wir den Kaffee aus der guten, alten Filtermaschine genießen.
In Shanghai, sowie in den meisten anderen chinesischen Städten, gibt es Millionen von Fahrrädern, die man sich günstig über eine App an jeder Straßenecke leihen kann. Einziges Problem: man benötigt ein chinesisches Konto um die App zu benutzen. Irgendwo haben wir gelesen, dass immer wieder Fahrräder geknackt werden und dann unabgeschlossen zwischen den vielen anderen Rädern stehen, oder ab und an einfach vergessen werden abzuschließen, also bereit um auch ohne App benutzt werden zu können. Irgendwie können wir uns das nicht so richtig vorstellen, auch das Bezahlungssystem haben wir noch nicht durchschaut, aber seit wir davon gehört haben, halten wir die Augen offen und scannen wie automatisch bei jedem Spaziergang die an jeder Ecke sauber aufgereihten Leihfahrräder ab. Und tatsächlich, nicht nur einmal finden wir gleich zwei unabgeschlossene Fahrräder mit denen wir Shanghai erkunden können. Auch wenn Roller, U-Bahn und Auto das Fahrrad mehr und mehr von den chinesischen Straßen verdrängen, für uns ist und bleibt es das beste Fortbewegungsmittel in Chinas Innenstädten. Es macht einfach enorm Laune bei gutem Wetter durch Shanghai zu düsen und sich irgendwo in einem „hidden Café“ (ja, von den hippen versteckten Cafés gibt es einige in Shanghai, man wird sie ohne Wegbeschreibung aber definitiv nicht finden!) einen viel zu teuren Kaffee zu gönnen.
Okay, diese Art der sportlichen Stadterkundung vollziehen wir nur zweimal, während wir hier sind. Die entspannte Festtagsstimmung steckt an und wir machen es uns abends meist mit Ruby auf dem Sofa gemütlich und so vergehen die Tage mal wieder wie im Fluge. Schnell sind die 1 1/2 Wochen bei Ruby wieder um und wir haben nur einen kleinen Teil der Dinge geschafft, die wir uns für die Zeit in Shanghai vorgenommen haben: immer wenn wir wissen, dass wir länger als 2,3 Tage an einem Ort bleiben werden, nehmen wir uns fest vor den Blog zu aktualisieren, Videos zu schneiden, Workouts zu machen, ganz viel selbst zu kochen, landestypische Rezepte auszuprobieren, die Gegend zu erkunden und am Besten nebenbei noch einen Onlinekurs bei Skillshare zu machen. In der Realität angekommen merken wir dann erst wieder, wie sehr das ständige Unterwegs sein an den Batterien zerrt und diese ab und an auch mal wieder aufgeladen werden müssen. Also genießen wir es ganz bewusst, mal wieder „eigene“ vier Wände zu haben: wir chillen auf dem Sofa bei Netflix; Frühstücken ausgiebig; gehen mit dem Hund die Gegend erkunden; arbeiten konzentriert, aber ungezwungen; essen Mittag; gehen wieder mit dem Hund Gassi; dann einkaufen beim Gemüsehändler im Hutong; arbeiten nochmal etwas und schon ist es wieder Abend, Zeit um zu kochen und anschließend einen Film zu schauen.
Ja, wenn man mal eine Auszeit vom Reise- und Arbeitsstress braucht, sollte man auf sich hören und sie sich auch gönnen. Wir nehmen uns vor dem mentalen Druck, unsere ausführlichen Reiseberichte so zeitnah wie möglich veröffentlichen zu müssen, nicht nachzugeben. Der Onlinekram kann auch mal warten, wir sind hier ja schließlich keine Festangestellten! ;) Wir lieben diese Tage als Ausgleich zum spannenden, aber auch anstrengenden Reisealltag und dem ständigen Organisieren der nächsten Schritte und genießen es, uns den Tag ganz so einteilen zu können wie wir es wollen. Trotzdem nehmen wir uns vor, an unserer Produktivität und Zeiteinteilung fürs Schreiben, Filmen und Fotografieren zu arbeiten, jedoch ohne uns zu viel auf einmal aufzuhalsen. Nicht ganz einfach hier eine Balance zu finden.
Als Annie und Rob zurück kommen, verabschieden wir uns schweren Herzens von der kleinen Ruby und ziehen nochmal für ein paar Tage in ein nettes Hostel in der Peripherie um. Das war nötig, da Tobis Führerschein mit den Unterlagen der Autovermietung im Wohnmobil in Japan liegen geblieben ist. Ich hab seinen Führerschein in die Mappe mit den Fahrzeug- und Versicherungspapieren getan um alles bei einer Kontrolle griffbereit zu haben. Als wir dann alles zusammen gepackt haben, hat keiner von uns daran gedacht dort nochmal rein zusehen. Mittlerweile bekommen wir bei solchen Kleinigkeiten aber keinen Schweißausbruch mehr, man lernt eben mit misslichen Lagen routinierter umzugehen und geht schnell in den Problemlösungsmodus über. Zum Glück haben wir den Verlust relativ früh bemerkt und Sumi hat den Führerschein dann an Annies Adresse geschickt. Die Sache war dann aber doch nicht so einfach zu knacken. Da wir keinen Briefkasten Schlüssel hatten, sind wir davon ausgegangen, dass der Brief längst angekommen, jedoch für uns in den tiefen des Briefkastens nicht erreichbar ist. Es stellt sich aber heraus: der Briefkasten ist bis auf Post für unsere Hosts leer! Deshalb beschließen wir, noch ein paar Tage in Shanghai zu bleiben und herauszufinden, wo der Brief nun abgeblieben ist. Auf der Homepage der japanischen Post wurde der Brief schon seit Tagen als in China zugestellt angegeben. Eine chinesische Trackingnummer finden wir aber nicht und so können wir auch nicht nachvollziehen wo sich der Führerschein genau befindet. Irgendwo in China ist ja auch keine große Hilfe. Nach unendlicher Recherche findet Tobi irgendwann, irgendwo und irgendwie in den weiten des Internets doch noch eine zweite Trackingnummer. (Es gibt wohl ab und an Probleme mit japanischer Post und chinesischem Zoll, ein amerikanischer Leidensgenosse hatte in irgendeinem Forum für Auswanderer dann den rettenden Link parat). Mit dieser Nummer und der Hilfe des englisch und chinesisch sprechenden Hostelpersonals schaffen wir es dann, eine Adresse eines Postamtes in Shanghai herauszufinden, bei dem das Dokument liegen soll. Nachdem wir von dieser Poststelle zu einer anderen Poststelle und von dort dann wiederum zu einer Hauptfiliale geschickt werden, halten wir dann endlich den Umschlag mit dem Führerschein in den Händen! Toll, so eine Schnitzeljagd durch die bevölkerungsreichste Stadt Chinas (23,4 Millionen). Und so schöne Poststellen haben die! Tja, wo andere Touristen den größten Starbucks der Welt bestaunen, stehen wir plötzlich in der Briefsortierhalle vor verdutzten Postbeamten. Ach, das war die Hintertür? ’Tschuldigung! Äh, wo wir schonmal hier sind..
Unseren letzten Tage in Shanghai verbringen wir dann mit der weiteren Reiseplanung, einem viel zu kurzen Besuch im Naturkundemuseum (das ist der Wahnsinn, ein Abstecher lohnt sich!) und dem ein oder anderen Bier in der Hostelbar. Doch dann ruft die Ferne wieder: Mit den Zugtickets für die nächsten Wochen in der Hand, machen wir uns zum ersten mal seit Beginn unserer Reise so richtig auf den Weg Richtung Süden!